Iberia – auch eine

Möglichkeit, den Winter zu überstehen

© traveladventureeverywhere.blogspot.co.at
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Mit Gibraltar stehe ich auf Kriegsfuß. Und das, obwohl ich noch nie dort gewesen bin. Oder besser: Weil. Bei meinem letztjährigen beruflichen Winteraufenthalt an der portugiesischen Algarve fiel der ursprünglich geplante Trip in die britische Kolonie am Südzipfel der iberischen Halbinsel flach, weil ich wegen verschiedener Termine einfach keine zwei Tage am Stück weggekommen bin. Diesmal teilte ich mir das schon im Vorfeld ein, dann aber machte mir Regenwetter einen Strich durch die Rechnung. Soll freilich nichts Schlimmeres passieren – zum einen, weil es nur an jenem Tag so richtig waschelte, an dem es eben nach Gibraltar gehen hätte sollen, zum anderen, weil es dort auch ohne mich genug Affen gibt…

…und zum dritten, weil ich an der Algarve und im angrenzenden Andalusien auch so voll auf meine Rechnung gekommen bin! Für 7 jener 10 Tage, an denen ich Anfang Februar 2014 in Vale do Lobo unweit von Faro an der portugiesischen Küste stationiert war, um über Fußball zu berichten, hatte ich mir bei Almotos eine Honda Transalp 700 gecheckt, da sich diesmal kein Testmotorrad kurzfristig organisieren ließ. Insgesamt spulte ich damit wieder knapp über 2.000 Kilometer ab, was der Psyche trotz des milden Winters und der daraus resultierenden einen oder anderen Fahrt ins Büro auf zwei Rädern daheim doch extrem gut tat. Das Hauptaugenmerk bzw. der Schwerpunkt der Ausfahrten lag diesmal klar auf der Suche nach unbefestigten Wegen, die man in dieser Ecke Europas zumindest abseits der Hauptverbindungen noch im Überfluss findet. Daher fehlen in diesem (Dienst)-Reisebericht auch die sonst üblichen Links zu den gefahrenen Strecken, da ich einfach immer wieder irgendwo kurzfristig abbog, wo es schottrig, sandig oder gatschig ausgesehen hat und ich ohne Navi selten genau wusste, wo ich gerade unterwegs gewesen bin.

Übersichtskarten zu den einzelnen Tagen sollten aber helfen, sich zumindest einen Überblick der jeweiligen Gegend zu verschaffen und gegebenenfalls vor Ort auch fündig zu werden, was fahrenswerte Routen betrifft – es gibt deren im Süden Iberias jedenfalls zuhauf…

1. Tag • Auf den Hund gekommen


ca. 250 Kilometer

Ich hatte ihn ja schon von weitem gesehen. Aber irgendwie gehofft, er würde mich nicht wahrnehmen. Doch dieser Hund hat offenbar den ganzen Tag nur darauf gewartet, dass ich in sein Revier eindringe, was er offenbar so gar nicht gut hieß, im Höllentempo auf mich zulief, um mir dies lautstark "mitzuteilen" – Flucht! Und auch die gut gemeinten Ratschläge eines Kollegen Abends im Hotel, wonach man nur schauen müsse, ob der vierbeinige Freund mit dem Schwanz gewedelt hat, weil er dann ja nur spielen wolle, waren für die Würst'…

…wer schon einmal mit dem Motorrad in abgeschiedenen Gegenden unterwegs gewesen ist und von einem wild kläffenden Hund verfolgt wurde, bleibt nicht zum Spielen stehen.

Die adrenalinfördernde Begegnung mit dem ausgewachsenen, deutschen Schäfer irgendwo im Hinterland nordwestlich von Tavira war aber nur ein Höhepunkt des ersten Fahrtages, der mich zunächst die Küste entlang bis eben zu besagtem Städtchen brachte. Eines der schöneren an der Algarve, wie ich finde:


Wobei die N125 an sich wenig spannend zu fahren ist, für eine "Küstenstraße" viel zu selten wirklich ans Meer herankommt – was vornehmlich durch die vielen Buchten und vorgelagerten Sandbänke zu begründen ist. Trotzdem fanden sich auch direkt am Wasser fahrenswerte Strecken, ließ sich der eine oder andere Strand sogar über die durch die Dünen führenden Holzstege erkunden – ein Privileg des Winters, während der Badesaison wäre dies wohl nicht so einfach zu bewerkstelligen gewesen bzw. toleriert worden. Die paar Fischer am Ufer ließen sich in ihrer Idylle von mir oder dem Motorrad jedoch nicht stören. Das fahrerische Highlight des Tages war aber das eingangs erwähnte hügelige Hinterland Tafiras mit kleinen Dörfern tief im Wald, die nur über unbefestigte Wege zu erreichen sind. Da ging's über Stock und Stein, wollten Furten durchquert werden, gelangten die an der Transalp montierten Bridgestone Battlewing doch einige Male hart an ihre Grenzen.


2. Tag • Nass & Spaß bei Huelva


ca. 470 Kilometer

Links ist Portugal, rechts Spanien
Links ist Portugal, rechts Spanien

Diesmal sollte es über den Rio Guadiana nach Spanien gehen, ein Vorhaben, von dem mich ein paar Wolken am Horizont nicht abhalten konnten. Und das war gut so. Denn die Gegend um Huelva, die viele Reisende am Weg von der Algarve nach Andalusien (und umgekehrt) gerne links liegen lassen, bietet durchaus interessante Wege, ob westlich der Hafenstadt vorbei an "Meersalzbergwerken" bis weit hinaus zum Leuchtturm oder auch in Richtung Donana-Nationalpark, ein Paradies für zahlreiche seltene Vogelarten und Zugvögel, Spaniens wichtigstes Feuchtgebiet. Das es an diesem Tag mit dieser Bezeichnung freilich ein wenig zu ernst nahm, weshalb Tansi und ich zwischendurch dann doch recht nass geworden sind. Aber man(n) ist ja nicht aus Zucker und es wäre echt ein Versäumnis gewesen, die Pisten dort nicht unter die Räder zu nehmen. Die meisten davon fand ich durch Zufall, weil ich zwischendurch auch ein wenig die Orientierung verloren hatte, irgendwann aber fand ich dann doch wieder auf den rechten Pfad und kam gerade noch pünktlich zum Abendessen um 19.30 Uhr zurück ins Quartier.


3. Tag • Das Beste der Algarve


ca. 300 Kilometer

Das Gute am Aprilwetter Anfang Februar war jedoch, dass es sich meist in der Nacht ausregnete, es tagsüber aber größtenteils trocken und zwischendurch auch immer mal länger sonnig blieb – zumindest am dritten Tag wieder, an dem ich mich in die Serra de Monchique aufmachte, eine Gegend, die ich schon ein Jahr davor zu schätzen gelernt hatte. Über Salir, Alte und San Bartolomeu de Messines ging es kurvenreich zu den Stauseen Barragem do Funcho und Barragem do Arade, um die herum sich kleine und kleinste, meist nicht viel mehr als ein- bis eineinhalbspurige asphaltierte Wege schlängeln, die das Herz jedes Motorradfahrers erfreuen. Und von denen immer wieder unbefestigte Pfade abzweigen, in die die Transalp an diesem Tag scheinbar wie von selbst regelmäßig einbog. Nach dem Motto, im "schlimmsten Fall" eben denselben Weg wieder zurück zu müssen, falls es nicht mehr weiter geht, tauchte ich immer tiefer in die Landschaft ein – Endurowandern vom Feinsten! Auch wenn mir, als die Honda gerade einmal kurz stecken geblieben war, klar wurde, dass ich im Pannenfall ziemlich dumm aus der Wäsche geschaut hätte: Denn selbst wenn ich per Mobiltelefon jemanden erreicht hätte, der Deutsch oder wenigstens Englisch spricht, wäre es mir unmöglich gewesen, auch nur annähernd zu beschreiben, wo ich mich gerade aufhalte, mir also der Fußweg zurück zumindest bis zur nächsten asphaltierten Straße nicht erspart geblieben. Aber: No risk, no fun…


Hinter Silves bauten sich wieder Wolken auf
Hinter Silves bauten sich wieder Wolken auf

Doch das war längst noch nicht alles. Weiter ging's über Silves nach Monchique, um von dort auf den Gipfel des Fóia zu fahren – der höchste "Berg" an der Algarve (902 Meter über Meeresniveau), von dem die Aussicht letztes Jahr freilich um einiges besser gewesen ist. Dennoch war die Fahrt rauf und oben wieder ein wenig von den asphaltierten Straßen weg auch diesmal ein Höhepunkt der Woche. So wie die anschließende Strecke von Monchique nach Nave Redonda – mit ihren unzähligen Kurven definitiv das Beste, was Südportugal straßenmäßig zu bieten hat! Wären mir nicht schon dunkle Gewitterwolken im Nacken gesessen, hätte ich die 20 Kilometer noch ein zweites- und drittes Mal unter die Räder genommen. So aber war ich dann doch froh, nach rund 300 Kilometer trocken im Hotel anzukommen, um dann bis spät in die Nacht das eigentliche Tagwerk zu erledigen und arbeiten.


4. u. 5. Tag • "Wandern" im Hinterland


ca. 180 Kilometer

Am vierten Tag stand nach dem Mittagessen ein Fußballspiel des Algarve-Cups auf dem Terminkalender, weshalb ich nur in der Früh eine kleine Offroad-Runde nördlich von Loule einlegte – die Gegend um den Fonte Benemola bietet dafür etliche fahrenswerte Strecken, wobei ich nicht die Hand ins Feuer legen würde, ob die auch alle offiziell befahren werden dürfen. Jedenfalls bin ich nur auf Wegen gefahren, die auch immer wieder in kleine Dörfer oder zu Farmen führten, welche anders nicht zu erreichen wären. Tag 5 wäre ja dann eigentlich für die Fahrt nach Gibraltar reserviert gewesen, starker Regen und noch stärkerer Westwind ließen mich diesen Plan aber schon beim Frühstück verwerfen – also wurde es wieder nur eine kleine (Nachmittags)-Runde in besagter Ecke.


6. Tag • Die weißen Dörfer Andalusiens


ca. 800 Kilometer

Kurz vor der Grenze nach Spanien
Kurz vor der Grenze nach Spanien

Dafür lachte mir schon am Morgen des zweiten beruflich freigeschaufelten Tages die Sonne ins Visier, wodurch die Entscheidung leicht fiel: Auf zur Ruta de los Pueblos Blancos, zu den "weißen Dörfern" Andalusiens! Dafür ging es wieder die Küste entlang über Tafira, Vila Real de Santa Antonia, vorbei an Huelva bis nach Sevilla, ehe ich in Richtung Süden abbog. Die Städte versuchte ich so gut wie möglich zu umfahren, stehengeblieben bin ich prakitsch nur zum Fotografieren oder Tanken. Motive für Ersteres gab es mehr als genug, (dreimal) Grund für Zweiteres lieferten insgesamt 812 größtenteils kurzweilige Tageskilometer.


Dürfte eine beliebte Mopedstrecke sein
Dürfte eine beliebte Mopedstrecke sein

Ab ca. Montellano wurde die Gegend hügeliger, ließen die vielen Kurven sämtlicher nur vorstellbarer Radien erahnen, warum gerade in diesem Land Leute wie Lorenzo, Pedrosa oder Marquez geboren wurden – die Battlewing waren jedenfalls in ihrem Element. Wobei es einem die tollen Anblicke der meist in die Hänge gebauten weißen Dörfer nicht leicht machten, sich auf die Fahrbahn zu konzentrieren. Besonders hat es mir Olvera (Bild unten) angetan, aber jedes dieser Dörfer mit ihren engen, verwinkelten Gassen, hat seinen ganz speziellen Reiz. Hier ließe es sich auch gemütlich einkehren und Tapas genießen, allein unterwegs vergaß ich aber völlig darauf und genoss einfach die wunderbaren Strecken.




Zumeist blieb ich dabei auf Asphalt, rund um Torre Aláqhime oder El Gastor fanden sich aber auch einige Schotterjuwelen, welche näher zu erkunden allerdings die Zeit fehlte. Denn als ich mir bei Arcos de la Frontera dann doch irgendwann einen Espresso genehmigen wollte, bemerkte ich, dass es schon nach 17 Uhr war und noch gut 350 Kilometer "Heimreise" nach Portugal anstanden. Also beließ ich es beim an der Tankstelle erstandenen Wasser, wieder rauf auf den Bock und weiter! Nach Sevilla dann auf der Autobahn und nach insgesamt rund 12 Stunden kam ich schließlich bei Dunkelheit wieder im Hotel an und genoss die Annehmlichkeiten des reichhaltigen Buffets ins vollen Zügen.

Am 7. Tage sollst du ruhen, hab ich irgendwo einmal gelesen. Nun, ich hatte sowieso genug Arbeit, dass von Ruhen keine Rede sein konnte, auch wenn es bei besserem Wetter bestimmt noch eine letzte ausgedehnte Vormittagsrunde geworden wäre. So aber machte ich nur noch rasch den Tank voll und die Honda halbwegs sauber – sonst hätte sie der nette Antonio von Almotos wohl kaum ohne Proteste in seinen Transporter verladen…

Fazit:

 

Auch wenn das Wetter nicht an jenes im Jahr davor heran gekommen ist (damals war's ja fast schon kitschig schön), sind die Tage an der Algarve und in Andalusien Balsam auf die Motorradseele gewesen. Natürlich fallen bei einer Dienstreise Dinge weg, die man im Urlaub nicht ausgelassen hätte, die Möglichkeit das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, lässt mich meinen Job als Journalist aber immer wieder aufs neue schätzen. Und auch wenn die Iberische Halbinsel vor allem im Früh- bzw. Spätsommer ihre Reize haben mag, sind die Algarve und Andalusien auch als Winterziel absolut zu empfehlen. Wobei mir persönlich die Gegend um die weißen Dörfer in Spanien fast am besten gefiel, vielleicht aber auch deshalb weil sie Neuland für mich waren.

Ja, und möglicherweise schaffe ich es ja wirklich noch einmal bis Gibraltar. Etwa, wenn es mit dem Motorrad nach Marokko geht.

Verdammt, es steht noch sovieles auf der To-do-Liste…