Triumph Street Triple RS • Modelljahr 2017


Kurvenräuber

Eigentlich hätte ich ja gleich hellhörig werden müssen, als mir der Ossi verriet, dass er sich selbst eine bestellt hat. Denn der Chef des Hauses Ossimoto in Wien 15 sucht sich immer die sportlichsten unter der aktuellen Triumph-Modellpalette raus. Motorräder, bei denen kompromissloser Fahrspaß vor allem anderen steht. Und der neuen Street Triple mit dem Zusatz RS im Taufschein ist punkto Sportlichkeit bzw. Agilität auf der (kurvenreichen) Landstraße nur schwer beizukommen, wovon ich mich Anfang Mai 2017 vornehmlich auf meinen Hausstrecken im und um den Wienerwald ausgiebig überzeugen konnte.

Nach zehn Jahren am Markt bekam der kleine Roadster der Briten 2017 eine Rundum-Modellpflege verpasst, die für manchen zwar vielleicht erst auf den zweiten Blick sichtbar sein mag – aber auf die inneren Werte kommt's an, und die wurden mächtig aufgepeppt. Äußerlich unverwechselbar die Streety mit ihrem aggressiven Doppelscheinwerfergesicht geblieben, sorgt unter dem Leichtmetall-Brückenrahmen nun ein von 675 auf 765 Kubik aufgebohrter Dreizylinder aus der Daytona für Vortrieb. Der ist schon in der "zivilen" Standardversion S mit 113 PS oder als R (118 PS) eine Ansage, im Topmodell RS bringt er aber satte 123 PS bei 77 Nm und einem Trockengewicht von nur 166 kg aufs Hinterrad…

Also rauf auf die RS – wenn schon, denn schon! Ich achte bei der ersten Fahrt mit einem Motorrad ja eigentlich immer auch gleich darauf, was mir nicht gefällt, im Fall der Streety tat ich mir in diesem Punkt aber richtig schwer. Da passt für mich mit meinen überschaubaren 1,76 Metern an Körpergröße die Sitzposition, der Kniewinkel, brauchte es nur wenige Meter, um sich mit dem Naked Bike vertraut zu fühlen. Als erstes springt dir schon vor dem Betätigen des Startknopfs das 5 Zoll große, im Winkel verstellbare, farbige TFT-Display ins Auge, auf dem du bequem per "Joystick" am Lenker nicht nur zwischen den verschiedenen Fahrmodi (Rain, Street, Sport und – exklusiv für die RS – Track) wählen kannst, sondern das sich auch vom Erscheinungsbild individuell in unterschiedlichen Darstellungsvarianten für Drehzahl- und Geschwindigkeitsanzeige anpassen lässt. Die Fahrmodi unterscheiden sich wie üblich im Ansprechverhalten des Gasgriffs sowie der Intensität von ABS und Traktionskontrolle, die beide etwa im Track-Modus auf ein Minimum reduziert sind. Selbstverständlich lassen sich die elektronischen Helfer auch ganz wegschalten bwz. die eigene Konfiguration in einem "Rider-Modus" speichern. Apropos individuelle Einstellungen: Dass sich Bremshebel in ihrer Griffweite einstellen lassen, ist ein alter Hut bzw. sowieso längst "Pflicht", bei der RS aber kann man mittels eines kleinen Drehrades sogar einstellen, wie scharf der Anker anspricht! Ich bevorzugte die etwas sanftere Variante im Duett mit dem von mir favorisierten Sportmodus. Dass die Fuhre auch damit mehr als ordentlich verzögert wird, versteht sich von selbst.

Feine Fahrwerks-Komponenten (vorne die "Big-Piston"-Upside-Down-Gabel von Showa, hinten ein STX40-Federbein von Öhlins) unterstreichen die sportliche Ausrichtung der Britin: Egal ob im engen, winkeligen Geläuf oder in schnellen, langgezogenen Kurven – die Street Triple RS zieht präzise und stabil die ihr vorgegebene Spur, abseits der Rennstrecke hast du immer Reserven. Einzig beim richtig raschen Runterschalten vor der Kurve macht sich mitunter ein leichtes "Stempeln" bemerkbar, das aber stets kontrollierbar bleibt. Das kupplungslose Hochschalten per Quickshifter funktioniert reibungslos und unterstützt eine sportliche Fahrweise, der auch die Serienbereifung mit dem Diablo Supercorsa SP von Pirelli Rechnung trägt: Der Reifen benötigt zwar eine ordentliche "Betriebstemperatur", hast du ihn aber erst einmal richtig warm gefahren, verwöhnt er mit Grip ohne Ende.

Prunktstück ist und bleibt aber der Dreizylinder. Ein richtig süchtig machender Motor, den ich auch in meinem Tiger liebe (für dessen Aggregat ebenfalls jenes der Daytona die Basis war), der hier in dieser aktuellsten Ausbaustufe in der RS in meinen Augen der Perfektion für die Straße schon verdammt nahe kommt. In der Stadt im dritten Gang zurückhaltend und leise wie ein Moped, dass Mütter sorglos ihre Kinderwägen auf die Straße schieben, in freier Wildbahn ein Monster, das losgelassen werden will. Ab etwa sechstausend Touren spielt die Musik, prescht das Motorrad wie von einem Gummiband gezogen, kräftig und erwachsen schreiend nach vor. Ich weiß nicht mehr, wie oft ich zur Dopplerhütte rauf und wieder runter bin (natürlich nur zu Test-Zwecken, da ich aus dem Dopplerhütten-Alter eigentlich längst raus bin) und wenn ich die Triumph Street Triple RS jetzt hier mit meiner KTM 690 Duke R vergleiche, so ist das keineswegs abwertend gemeint, hat sie doch als weit "erwachseneres" Bike neben allen elektronischen Spielereien dieser Zeit ein Plus von zwei Zylindern und gut 50 PS an Bord: Sie ist die erste, mit der ICH solch enge Kehren-Strecken ähnlich flott oder vielleicht sogar noch flotter absolvieren konnte. Der für die Triples aus Hinckley typische, kleine Windscreen über dem Doppel-Scheinwerfer macht sie obendrein bis zu Autobahngeschwindigkeiten für eine Nackerte richtig angenehm fahrbar.

Die Preise sind mit in Österreich € 13.500,00 für das Topmodell (bzw. € 11.800,00 für die R oder € 10.300,00 für die S) in Anbetracht des Gebotenen durchaus moderat, unterm Strich wirft die Street Triple RS aber doch eine Frage auf, die Triumph wohl nur mit einem baldigen Rundum-Update auch eine Klasse höher beantworten können wird: Wozu braucht man jetzt eigentlich noch eine Speed Triple?

© 05/2017