Schottern im Friaul


Zu Mittag in Wien aufs Bandl (Autobahn) bis Villach und in weiterer Folge nach Italien, um tags darauf mit zum Teil noch Unbekannten einen Tag durchs Friaul zu schottern und am nächsten Morgen wieder heimzudüsen – dafür muss man wohl schon ein wenig verrückt sein. Aber erstens stellte ich noch nie den Anspruch auf Gegenteiliges, zweitens hat es mächtig Spaß gemacht und drittens wäre es ja auch ein klein wenig anders geplant gewesen. Ursprünglich wollte ich ja schon im Morgengrauen los, um vier in Hallein aufgebrochene Kollegen Vormittags auf der Eisentalhöhe an der Nockalmstraße zu treffen, eine gebrochene Feder an der Schaltwelle des Tigers machte mir aber einen Strich durch die Rechnung. 

Tag 1: Von Wien nach Sutrio (I)

 

Streckenlänge: ca. 500 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

 

So hieß es warten, ob das am Tag davor georderte Ersatzteil tatsächlich per Express-Sendung rechtzeitig eintrifft - es klappte und das Team von Ossimoto ließ wirklich alles liegen und stehen, um die Garantiereparatur durchzuführen, damit der Tiger zur Mittagszeit startklar war. An Mariazellerland oder Nockalm war natürlich jetzt nicht mehr zu denken, die rund 360 Autobahnkilometer von Wien bis Villach aber relativ rasch, mit nur einer kurzen Kaffepause am Wörther See (Bild oben links), abgespult. Danach fuhr ich auf der Bundesstraße 83 bzw. 111 weiter über Arnoldstein nach Hermagor, ehe es links weg über den Nassfelpass (Passo di Pramollo) nach Italien ging. Auf der österreichischen Seite ist die Straße hervorragend ausgebaut und lädt zu Schräglagen bis Stiefel oder Rasten schleifen ein, ich bevorzuge dennoch die italienische Seite, trotz (oder wegen) der holprigeren, engeren Piste mit ihrem in den Fels gehauenen Tunnel, dessen Besonderheit eine Spitzkehre mit doch recht ordentlichem Gefälle ist.

Nassfeldpass auf österreichischer...
Nassfeldpass auf österreichischer...
…und auf italienischer Seite.
…und auf italienischer Seite.

Bei Pontebba entschied ich mich für die schmale, kurvenreiche Straße über die Sella di Cereschiatis bis Moggio Udinese, die über weite Strecken an einem romantischen Wildbach entlang führt und zwischendurch immer wieder von "Bremsteppichen" in Form mehr oder weniger frischer Kuhfladen gepflastert war. Nach dem daraus resultierenden Slalom ging es weiter über Tolmezzo bis zu meinem Ziel in Sutrio, wo die Bayern Peter und Karl bereits am gemütlichen Holztisch vor dem Quartier bei Bier und Wein auf mich warteten. Der Rest der ebenfalls schon angekommenen Mitstreiter – Micha, Rainer, Michl, Gigl und Manfred – hatte es vorgezogen, am späten Nachmittag noch die Panoramica delle Vette zu fahren, eine bis auf knapp 2000 Meter führende Höhenstraße mit eindrucksvollen Ausblicken, die ich dann tags darauf nachholen sollte. Rechtzeitig zum Abendessen waren aber auch sie zurück. Und noch bevor die Kellnerin die köstlichen Tagliatelle mit Hirschragout servierte, war uns allen klar, dass sich da eine feine, illustre Achter-Runde gefunden hatte, von der davor zwar jeder jemanden aus dem Kreis aber keiner alle kannte. Der Schmäh lief auf Hochtouren, die Harmonie passte vom Start weg und obendrein können sie auch alle wirklich gut und flott Motorrad fahren.

Auf der Panoramica delle Vette
Auf der Panoramica delle Vette

Tag 2: Unterwegs im Friaul

 

Streckenlänge: ca. 260 Kilometer

Video: Friaul

 

Ausgeschlafen und vom ausgiebigen Frühstück gestärkt scharrten wir schon am frühen Morgen in den Startlöchern, um zum "Aufwärmen" den Monte Zoncolan unter die Räder zu nehmen. Die Auffahrt war kurven- und abwechslungreich, die Ausblicke von oben herrlich. Während unsere Motorräder - zwei KTM Adventure 990, zwei Triumph Tiger (955i bzw. 800XC) sowie je eine Honda Transalp, BMW 1150 GS Adventure, BMW K1600 GT und Suzuki Bandit 1200 - unter strenger "Bewachung" der italienischen Streitmächte standen, wurden Erinnerungsfotos geschossen, ehe es über den Passo di Pura weiter zum malerischen Lago di Sauris ging.

Monte Zoncolan
Monte Zoncolan
Lago di Sauris
Lago di Sauris

Hier trennten sich die Asphalt- (Karl, Gigl, Rainer, Peter) und die Schotterfraktion (Micha, Michl, Manfred sowie meine Wenigkeit), welche nach einer abwechslungsreichen Anfahrt über verschiedene Almen der Region die Forcella Ielma in Angriff nahm. Denzel weist für diese Strecke den Schwierigkeitsgrad 4-5 aus, die Höchststufe fünf begründet sich eigentlich nur in den letzten rund 150 Metern vor dem Scheitel. Die haben es mit grobem Schotter und einer Steigung von an die 20 Prozent in sich, was wir am eigenen Leib bzw. Maschinen erfahren durften. So auch ich bzw. mein Tiger, der sich gleich zweimal zur Seite legte - nicht zuletzt als Folge einer defekten Kupplung, die ein Anfahren im Hang praktisch unmöglich machte und zwischendurch beim Drehen des Gasgriffes die Raubkatze immer wieder wild aufheulen ließ anstatt zu beschleunigen, sicher aber auch, weil mich dies dazu veranlasste, die Füße von den Rasten zu nehmen: Ein No-Go im Gelände.

Zum Glück konnten wir das Problem noch vor Ort beheben, in dem der Kupplungszug lockerer gedreht wurde, an einen Pannendienst-Einsatz in dieser Region will ich lieber erst gar nicht denken. Da hätte es wohl einen ÖAMTC-Hubschrauber gebraucht, auf alle Fälle aber ein geländegängiges Allradfahrzeug samt viel Zeit und noch mehr Nerven…

Die Folge: Eine zerstörte Action-Cam, der das dann doch zuviel Action gewesen ist und die unter der Last des Tigers w.o. gab - noch arbeite ich daran, die Daten auf der teilweise geschmolzenen Speicherkarte zu retten, wozu es jedoch eines Spezialisten bedarf.

 


Aber wenigstens wurden wir oben angelangt mit unbezahlbaren Ausblicken belohnt, und auch die Abfahrt hatte einiges zu bieten, so dass wir Schottersuchende wirklich voll auf unsere Kosten kamen. Wären wir von dieser Seite gekommen, hätten wir uns zwar diesen letzten Anstieg erspart, dafür aber jede Menge enger Schotterkehren gehabt, die berglab doch um einiges bequemer zu fahren waren. Danach ging es Offroad weiter über den Forcella Laverdet, wo wir die Stollenreifen ganz schön über den Schotter laufen ließen, ehe zum Abschluss (dann schon asphaltiert) eine imposante Folge enger Kehren für Fahrspaß sorgte.

 In San Stefano empfingen uns bereits die drei verbliebenen "Asphaltcowboys" in einem Café, Peter hatte zwischenzeitlich mit seiner GS leider schon die Heimreise antreten müssen - auf den "Armen" wartete noch eine Woche Toskana-Urlaub. Wir aber stärkten uns erst einmal mit dem so ziemlich größten Schinken-Käse-Toast, der mir je auf den Teller gekommen ist, ehe beschlossen wurde, noch auf den Col Vidale zu fahren. Doch da hatten wir die Rechnung ohne den Wirten bzw. die "Einbahnregelung" der Italiener gemacht, die die Auffahrt über den schmalen, teilweise schottrigen Weg hinauf zur verfallenen Festung aus dem 1. Weltkrieg mangels Ausweichmöglichkeiten bei Gegenverkehr nur bis 13 Uhr erlauben, von 14 bis 17 Uhr darf man dann wieder (nur) hinunter fahren. Schade, war es doch für mich ein schwacher Trost, dass die Mitstreiter mit einem Tag mehr Zeit im Gepäck, die Strecke tags darauf nachholen sollten.

 

Also ging es auf Asphalt weiter über den Sella di Ciampigotto, den Sella di Razzo und das Val Pesarino in Richtung Quartier. Als Micha alias Mimoto jeden Einzelnen von uns für sein Filmkunstwerk von hinten ablichten wollte und sich aus diesem Grund vom Ende des Feldes Motorrad für Motorrad nach vorne arbeitete, weckte sein Überholversuch bei Gigl plötzlich ungeahnte Rennfahrerqualitäten im sonst so durch und durch vernünftigen Zeitgenossen. Der geneigte Beobachter war fast an Moto-GP-artige Kurvenduelle erinnert, Schulter an Schulter kämpfend,  als sich der Gigl samt seiner Transe gegen den Angriff der an PS überlegenen KTM wehrte und erst nach einigen Kehren (und etlichen sehenswerten Filmsequenzen) doch w.o. geben musste. Da waren wir dann aber auch schon oben am Berg angelangt und der an der Spitze fahrende Manfred um "seine" Aufnahmen gebracht worden… ;-)


Beim schiefen Turm von Prato - ja, ja sowas gibt es nicht nur in Pisa - trennten sich dann Manfred und ich vom Rest der Meute, die für diesen Tag bereits genug hatte und sich nach einem Bier im Quartier sehnte, und nahmen als letztes Highlight des Tages noch die auf knapp 2000 Meter hinauf führende Panoramica delle Vette in Angriff. Schon die Auffahrt auf dem schmalen, asphaltierten Weg durch den Wald ließ jede Menge Fahrspaß aufkommen (Manfred war die Strecke ja schon tags davor gefahren und konnte dementsprechend ortskundig flott den Wegweiser machen), oben angelangt taten sich dann herrliche Panorama-Blicke über die umliegenden Berge auf. Leider ohne mitlaufender Helmkamera, deren Akku schon davor die Segel streichen musste. Der Schotter oben ist fein und ohne nennenswerte Tücken, den Schwierigkeitsgrad 3-4 vergab Denzel in erster Linie wegen des teilweise ungesicherten Randes, weshalb an vielen Stellen dort oben ein Fahrfehler der letzte sein könnte. Die teilweise angebrachten "Sicherheitsnetze" passen dennoch so gar nicht ins sonst sensationelle Landschaftsbild. Nebenbei sind sie auch für Radfahrer gedacht, weshalb ich mir die "Belastungsprobe" mit dem Motorrad gut überlegen würde…

Auf alle Fälle ist diese Fahrt über die Malga Chiadinis bei mir künftig ein absolutes Pflichtprogramm für jede weitere Friaul-Tour.



Nach diesem äußerst stimmungsvollen Ausklang eines wunderbaren Tages schmeckte das Essen ganz besonders und der Radler dazu machte müder als Tags davor, weshalb auch dementsprechen kürzer "Bikerlatein" ausgetauscht wurde.

Tag 3: Von Sutrio nach Wien

 

Streckenlängel: ca. 530 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

Video: Nockalmstraße

 

Die ersten Sonnenstrahlen schienen fast bis zum Frühstückstisch und der Michl wurde immer nervöser, um ja nicht den geplanten Abfahrtstermin zu versäumen - da blieb ihm kaum Zeit, sich am allgemeinen Händeschütteln und Schulternklopfen zu beteiligen ("den Wolf seh ich ja eh bald wieder"), warteten doch bereits die nächsten aufregenden Strecken über Stock und Stein auf die mittlerweile nur noch sechs Verbliebenen. Mich rief nämlich die Pflicht in Form eines Spätdienstes, weshalb ich dementsprechend früh in Italien los musste. Sollte es doch diesmal nicht die Diretissima übers Bandl sein, sondern vielmehr die Schönheit der über 500 Kilometer in vollen Zügen genossen werden.

Die ursprünglich geplante Fahrt über die Straniger Alm, eine Schotterverbindung über die Karnischen Alpen zwischen Friaul und Kärnten, ließ ich aufgrund der Erfahrungen des Vortages und dem geschwundenen Vertrauen in die notdürftig reparierte Kupplung lieber aus und entschied mich für den Plöckenpass (Passo di Monte Croce Carnic), um zurück nach Österreich zu gelangen. Persönlich mag ich den Nassfeldpass zwar lieber, da ich den aber schon auf dem Hinweg genommen hatte, war's eine nette Abwechslung - und Kurven hat er ja auch.

Danach ging es weiter nach Hermagor, über den Kreuzbergsattel vorbei am Weißensee und weiter zum Millstätter See. Bei Radenthein verließ ich die B98 in Richtung Bad Kleinkirchheim, wo ich schon als kleiner Junge des öfteren zum Skifahren war, diesmal stand aber kein Zwischenstopp am Plan. Sollte es doch zügig zur Nockalmstraße gehen, eine meiner absoluten Lieblingsstrecken in Österreich, die zumindest einmal im Jahr einfach gefahren "gehört". Wobei die Richtung von Ebene Reichenau kommend aus meiner Sicht eindeutig zu bevorzugen ist. Schon allein der perfekte Straßenbelag ist jedenfalls die 8 Euro Maut wert, wunderbar einsehbare Kurven und postkartenartige Ausblicke entschädigten für diesen gerne in Kauf genommenen Umweg. Oben an der Eisentalhöhe genehmigte ich mir ein g'selchtes Hauswürstel mit Brot, Senf und Krenn, ehe es wieder zügig den Weg zurück zum Start ging. Beeindruckend immer wieder aufs Neue die stoische Ruhe der Kühe, die - offenbar längst an den Trubel auf über 2000 Metern Seehöhe gewöhnt - kaum ein Ohrwaschel rühren, wenn die Motoren direkt neben ihnen aufheulen.


Zurück in Ebene Reichenau wartete mit der Turracher Höhe und ihren bis zu 23 Prozent Steigung gleich der nächste fahrerische Genuss, wenn auch auf vergleichsweise weit schlechterem Asphalt. Danach führte mich mein Weg recht flott durchs steirische Murtal, über Knittelfeld, Leoben, Bruck und Kapfenberg, ehe es bei Mürzzuschlag wieder gebirgiger wurde. Übers Preiner Gscheid auf der Rax ging's weiter nach Niederösterreich, durchs Höllental in die Kalte Kuchl, wo bei der obligatorischen Biker-Rast ein letzter Zwischenstopp eingelegt wurde. Für den legendären Topfenstrudel mit Vanillesauce fehlte mir zwar die Motivation, ein kurzer Kaffee musste es aber schon sein. Der Rest der Strecke war dann so vertraut, dass der Tiger wohl auch alleine nach Hause gefunden hätte, deshalb aber kaum weniger interessant als die rund 400 Kilometer davor.

Und rechtzeitig vor Arbeitsbeginn war die Heimreise tatsächlich zu Ende.


Fazit: Es waren drei wunderbare Tage mit lustigen Zeitgenossen, die nicht Kennenzulernen ein echtes Versäumnis gewesen wäre - auch wenn ich notgedrungen zwei davon alleine gefahren bin. Die Chemie in der Truppe (allesamt User im Mimoto-Reiseforum) war von Anfang an perfekt, ganz so als ob wir uns schon lange gekannt hätten - ganz egal, ob auf der Straße, Offroad oder Abends bei vino, birra e grappa. Da war kein Selbstdarsteller dabei, kein Egoist, kein Bremser, und das ist bei einer Gruppe dieser Größe absolut keine Selbstverständlichkeit. Mehr fällt mir jetzt als Jüngstem der Meute nicht mehr ein, außer:

 

Jungs, gerne wieder mit euch!

DANKE an all meine Mitstreiter nicht nur für die tolle Tour sondern auch für das zur Verfügung stellen von Fotos für die Veröffentlichung auf meiner Seite. Jene Bilder, auf denen ich zu sehen bin, sind nämlich (eh kloa) nicht von mir geschossen (alle anderen natürlich schon), welches aber jetzt im Detail von wem kam, weiß ich leider nicht mehr…