Der Wolf rief, die Reiseenduro-Szene kam

Nachdem durch meinen Schienbeinbruch mit einiger Verspätung im November endlich die 150.000er-Marke an gemeinsamen Kilometern mit der Triumph Tiger 800 XC überschritten worden war, reifte in mir der Gedanke, dies mit Gleichgesinnten zu feiern. Was lag also näher, als das gleich mit einem öffentlichen Service beim Ossimoto in Wien zu tun? Noch dazu, wo ich die Inspektion bei 140.000 Kilometern ausgelassen hatte und ein großes Service mit Ventilspielkontrolle ohnehin überfällig war. Die Beteiligten mussten nicht lange überzeugt werden – der Chef persönlich bereitete den Glühwein zu, sorgte dafür, dass weder Gulaschsuppe, noch die Knabberein und schon gar nicht die Getränke ausgingen, Mel spendierte jede Menge Faschingskrapfen und Chefschrauber Dieter Guggenberger alias Guggi nahm sich der Raubkatze an. Dem macht es auch nichts aus, wenn ihm bei der Arbeit über die Schulter geschaut wird, ist er das doch ohnehin von der Rennstrecke her gewöhnt… 

Insgesamt hat mich das Motorrad von 2011 bis 2018 in 27 Länder begleitet (Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Deutschland, England, Frankreich, Griechenland, Holland, Italien, Kosovo, Kroatien, Liechtenstein, Mazedonien, Moldawien, Monaco, Montenegro, Österreich, Polen, Rumänien, Schottland, Schweiz, Serbien, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ukraine, Ungarn) und nur ein einziges Mal – zu Silvester 2017 in der Kalten Kuchl wegen eines defekten Starter-Relais – liegen lassen. Dass zweimal die Kupplung durchbrannte (einmal auf einer steilen Schotter-Passage im Friaul, dann in einem Flussbett in Albanien), würde ich als Pech bzw. Selbstverschulden einordnen und nicht dem Tiger in die Schuhe schieben, ich bin damals aber jeweils noch weiter gefahren, im zweiten Fall sogar noch nach Griechenland und erst danach zurück nach Hause. Im Detail sind die Wehwechen der britischen Raubkatze chronologisch zusammengeschrieben hier nachzulesen.

Gut gelaunt: Hausherr Ossi, Lost Espandrillo und der Wolf
Gut gelaunt: Hausherr Ossi, Lost Espandrillo und der Wolf

Gekommen sind die Motorradnarrischen trotz Vorweihnachts-Stress nicht nur aus Wien und Umgebung, sondern von fast allen Ecken des Landes: Aus dem Burgenland, der Steiermark, Kärnten, Nieder- oder Oberösterreich, mit Jens vulgo Technikfan aus dem Tigerhome-Forum war sogar ein Deutscher dabei. Weil der aber beruflich in Ungarn zu tun hatte, ging der imaginäre Preis für die weiteste Anreise an Oliver Pietsch von Michelin, der um 13 Uhr noch einen Termin in Salzburg hatte und dennoch vor 17 Uhr beim Ossi war – auch um Fragen zum neuen Anakee Adventure, der bereits auf den Speichenfelgen des Tigers aufgezogen ist, zu beantworten. Den weitesten Weg jener, die standesgemäß mit dem Motorrad gekommen waren, hatte Pascal zurückgelegt, der mit seiner KTM 1190 Adventure R extra aus Oberösterreich angereist ist. Es war jedenfalls ein Kommen und Gehen, Hausherr Walter Oswald schätzt, dass insgesamt rund 100 Gäste dagewesen sind – auf alle Fälle war es mir eine Freude, viele Freunde und Bekannte zu sehen, andere kennenzulernen und über das zu plaudern, was uns allen soviel Spaß bereitet. Auch die Kollegen Lost Espandrillo und Der Weinknecht vom Reitwagen mischten sich unter das Motorradfahrervolk, der Benzin zum Plaudern ging uns nicht aus, manch einer ließ sich auch von den nebenher laufenden Videos meiner Tiger-Reisen inspirieren…

…oder sah dem Guggi beim einfach Schrauben über die Schulter. Der zeigte sich angetan davon, wie einwandfrei etwa die Steuerkette auch nach 150.000 Kilometern läuft – und vor allem, wie sich ihm die Nockenwellen präsentierten. "Die sehen aus, wie bei einem Neufahrzeug", schüttelte der Mechaniker-Routinier fast ungläubig den Kopf, "da weisen andere nach 30.000 Kilometer mehr Einlauf-Spuren auf." Die Ventile mussten eingestellt werden (Auslassventile waren zu weit, zwei Einlassventile zu eng, was den Guggi doch ein wenig überraschte), ansonsten ging es lediglich um die Erneuerung von Verschleißteilen wie Bremsbeläge, Luftfilter, Zündkerzen, Zündspulen etc.



Es geht nichts über ein fachgerechtes Service und zum "runden" Kilometerstand hatte sich der Jubilar das auch verdient. Wenngleich wir nicht alles streng nach Werkstättenbuch absolvierten: Beim Reifenwechsel in der Woche vor dem 150.000er-Eingriff stellte ich fest, dass das Radlager am Hinterrad locker sitzt. Was jedoch nicht am Lager lag (das ließe sich leicht wechseln), sondern an der Aufnahme, an der sich mit der Zeit der Lager-Sitz "ausgeschlagen" hat, womit das Spiel zu groß wurde. Ein neues Hinterrad schlägt sich mit gut 800 Euro zu Buche, mit neuer Radnabe plus Einspeichen derselben wäre ich immer noch auf etwa 500 gekommen – wir entschieden uns, es bei einer Dose Red Bull zu belassen (hätte natürlich genausogut Bier oder Cola sein können). Und Guggi gab mir Anschauungsunterricht in einer "Feld-OP", die man praktisch überall unterwegs auch in der Pampa erledigen kann, indem er ein Stück einer Aludose in der Breite des Lagers ausschnitt, rund ums Lager "wickelte" und beides gemeinsam in die Aufmahme schlug. Sitzt wieder bombenfest – ob für die nächsten 150.000 Kilometer, wird sich weisen, auf alle Fälle aber hat er mir für die kommende Saison sparen geholfen.


Abschließend muss ich sagen, dass die doch relativ kurzfristig einberufene "Schrauberparty" beim Ossimoto ein voller Erfolg gewesen ist – zumindest hat es der besten Sozia wo gibt und mir sehr viel Spaß gemacht. Dass meine Spezln und Tourenpartner wie Klaus, Gigl oder Wilfried gekommen sind, verstand sich ja irgendwie fast von selbst (Danke Burschen, das nächste Mal hab ich dann auch wieder Zeit, mit euch anzustoßen), dass aber soviele, die mich nicht einmal noch persönlich kannten, derart weite Wege auf sich genommen haben, hat mich schon einigermaßen umgehauen. Und gezeigt, dass die Bike-on-Tour-Community längst einen gewissen Stellenwert in der Reiseenduro-Szene hat, weshalb ich mir gut vorstellen kann, dass es künftig wieder mal Events geben könnte, zu denen der Wolf ruft. Vielleicht ja auch zu einer Jahreszeit, zu der dann alle mit dem Motorrad kommen und zusammen eine Runde drehen – schaumamal, was 2019 diesbezüglich bringt.

DANKE noch einmal an alle fürs Vorbeischauen, es war mir eine Freude, mit euch einen kurzweiligen Nachmittag zu verbringen!


© 12/2018