KTM Freeride E-XC • Modelljahr 2018

50 Prozent mehr Saft mit einem gehörigen Schuss Suchtpotential

Drei Jahre ist es her, dass KTM ein Elektro-Modell der Freeride präsentierte, höchste Zeit für ein Update bzw. eine erste Rundum-Modellpflege. Schon das 2015 noch in den Kinderschuhen steckende Konzept machte mir beim Test viel Spaß abseits befestigter Wege, nach der vielversprechenden Präsentation im Salzburger Hangar 7 war ich nun schon gespannt, auch die neue E-XC zu fahren.

Wofür es Anfang April 2018 nach Munderfing ging, wo KTM gleich neben dem neuen Werk einen E-Cross-Park betreibt. Schon optisch unterscheidet sich die Neue, die es aktuell nur noch in einer XC-Variante mit Straßenzulassung gibt, vom Vorgänger-Modell – das als XC, Supermoto (jeweils für die Straße zugelassen) und SX für die Cross-Strecke zu haben war – durch den breiteren Lenker, eine andere Lichtmaske, veränderten Kotflügel etc...

Die weitgreifendsten Veränderungen liegen aber im Inneren. Und zwar neben den in seiner Leistung etwas aufgepeppten Motor in erster Linie in der Batterie. Zwar ist diese immer noch ein unverändert schweres Trumm, KTM ist es aber gelungen, die Kapazität um 50 Prozent zu steigern, was ca. eineinhalb Stunden Fahrspaß pro Ladung ergibt. Und das bei durchaus beherzter Fahrweise, gemütlich bzw. nicht zu forsch am Gashahn drehend kann man auch gut und gerne zwei Stunden unterwegs sein.

Wie beim Vorgänger-Modell verfügt das Elektromotorrad über drei Fahrmodi: Bei Stufe 1 (Economy) hält der Akku naturgemäß am längsten, auf Stufe 3 (Cross) lässt sich die Freeride richtig sportlich bewegen. Auf Schotterstraßen bzw. -pisten ist das auch definitiv die beste Wahl, weil da dem 110 Kilo leichten Bike die vollen 25 PS zur Verfügung stehen, auf den Enduro- bzw. Crosstrecken in Munderfing war mir jedoch die etwas weniger giftige Stufe 2 (Enduro) fast angenehmer. Weil Schalten und Kuppeln wegfällt, kann sich der Fahrer übrigens ganz aufs Gas geben bzw. die Linienwahl konzentrieren, ist die Elektro-Freeride auch für Einsteiger einfach zu fahren, ohne deshalb dem Profi langweilig zu werden. Gebremst wird ausschließlich am Lenker, rechts wird das Vorderrad verzögert, links das Hinterrad.

Verbessert wurden beim neuen Modell auch die Federelemente von der hauseigenen Fahrwerks-Schmiede WP, die weiterhin vorne 250 und hinten 260 Millimeter Federweg bieten und auch bei Sprüngen sowie Unebenheiten jeglicher Art nur schwer an ihre Grenzen zu bringen sind. Auch steile Auffahrten bringen die Freeride nicht in Verlegenheit, das Drehmoment von 42 Nm steht wie bei Elektromotoren üblich immer, also ab Standgas, zur Verfügung. Eine Sinn machende Neuerung ist auch die Möglichkeit, im Rollbetrieb in der Economy-Stufe 1 die Batterie zu laden, womit man beim Endurowandern bergab Reserven für die nächste Auffahrt tanken kann. Apropos Reserven: Wird die Freeride artgerecht bewegt, ist es nicht unwahrscheinlich, dass dem Fahrer früher der Saft ausgeht, als der Batterie – ich war jedenfalls nach meinem Munderfing-Ausflug ziemlich leergefahren…

Dennoch bleibt die überschaubare Reichweite bzw. die Tatsache, dass Ladegerät oder Ersatz-Akku immer noch viel zu schwer sind, um z.B. im Rucksack mitgeführt zu werden, in der Praxis das beste Argument für die mit Benzin betriebene Freeride-250-Schwester. Die Ladezeit des Akkus beträgt eine Stunde, auch nach 700 Lade- bzw. Entladezyklen sollen immer noch 70 Prozent der ursprünglichen Kapazität zur Verfügung stehen.

Bereift ist die Freeride serienmäßig mit Trailmaxx-Gummis aus dem Hause Maxxis, die in Zusammenarbeit mit KTM extra für das Motorrad entwickelt wurden und stark an einen Trail-Reifen erinnern, allerdings mit mehr Negativ-Profil und größerem Abstand zwischen den Stollen. Zumindest im trockenen Gelände bietet der Maxxis gute Traktion, ich würde nach "Vernichtung" der Erstbereifung aber doch eher zu einem Cross-Reifen greifen.


+ Drehmoment in voller Stärke vom Losfahren weg – das gibt es nur bei Elektromotoren

+ Federelemente lassen selbst beherztes Endurofahren zu

+ Das Handling ist exzellent, was auch Einsteiger schätzen werden

– Die Reichweite ist immer noch das größte Handicap der Elektrobikes

– Das Gewicht der Akkus macht es – abgesehen von der Preisfrage – unmöglich, "Ersatz" mitzuführen

– Die Tatsache, dass keine geeignete Spielwiese vor meiner Haustüre ist...



Fazit: Als Stadtgefährt und für die Offroad-Runde hinter dem Haus ist die Freeride E-XC genauso eine ernsthafte Überlegung wert, wie für jene, die das Bike auf den Hänger packen und damit zu einem Enduropark oder Campingplatz (mit Lademöglichkeit) fahren. Und natürlich für all jene, die sich gern zu den Pionieren zählen, wenn neue Techniken den Markt erweitern. An Fahrspaß wird es ihnen keinesfalls mangeln, allerdings müssen sie vorausschauender unterwegs sein als mit Verbrennungsmotoren, für die es doch fast an jeder Ecke binnen weniger Minuten Sprit gibt. Weshalb mein Resumee (noch) nicht viel anders ausfällt, als vor drei Jahren: Solange das Reichweiten- bzw. Gewichtsproblem des Akkus nicht "gelöst" ist – auch wenn die 50 Prozent Mehr an Kapazität einen beachtlicher Quantensprung darstellen – wird entspanntes Endurowandern mit dem Elektromotorrad schwer möglich sein, zumal man sich ja gerade mit einer Enduro meist fernab der Zivilisation bewegt. So reizvoll das fast lautlose Fahren im Gelände auch ist...

...schreibt der Wolf, der sich gerade einen lauteren Auspuff an die CCM schraubte.

Und der ganz sicher bald wieder einmal in Munderfing vorbeischauen wird. Im dortigen

E-Cross-Center kann übrigens jedermann (und -frau) selbst erFAHREN, ob die neue Freeride E-XC etwas für einen selbst ist. Das Center ist von Dienstag bis Samstag geöffnet und steht übrigens auch für Firmen-Events oder Schulklassen zur Verfügung, über freie Termine kann man sich > hier < informieren. Manfred Weindl, Leiter des E-Cross-Centers, steht jedem mit Rat und Tat zur Seite, zwei Stunden Fahrspaß kosten 78 Euro*, die Leihgebür für die komplette Motocross-Ausrüstung weitere 15 Euro*, auch Gutscheine sind zu haben. Doch Vorsicht im Umgang damit: Schon eine Runde kann süchtig machen… 

* Preise 2018

© 04/2018