Westalpen 2013

Ligurische Grenzkammstraße • Monte Jafferau • Assietta Kammstraße • Col de Tende • Maira Stura Kammstraße • Colle del Nivolet • Monte Pramand • Colle delle Finestre • Varaita-Maira-Kammstraße • Colle di Sampéyre • Col de l'Isèran • Cime de la Bonette • Cormet de Roselend • Col du Mont Cenis • Col d'Izoard • Col de Vars • Colle della Lombardo • Passo Gouta und, und, und noch vieles mehr…

…wie Oberalppass, Kunkelspass, Furkapass, Forclaz etc. in der Schweiz auf der Hinfahrt bzw. zum Abschluss noch jede Menge nah(e)liegender Pässe rund um's Stilfser Joch, Torri de Fraele, Bernina, Albula, die Silvretta-Hochalpenstraße & Konsorten.

SCHOTTER stand ganz oben im Pflichtenheft der Herbstreise 2013, die für mich persönlich aber aus einem ganz anderen Grund eine sehr emotionale war. Hatte ich sie doch noch gemeinsam mit dem Michl geplant, der seinen Traum, einmal über die Ligurische Grenzkammstraße (Bild links) zu fahren, leider nicht mehr erleben durfte. Zumindest sein Bild ist aber die gesamte Strecke mitgefahren, war vom Start durch die Schweiz über die Route de Grandes Alpes in Frankreich bis zur Zieldestination im Piemont bzw. in Ligurien immer ganz oben im Tankrucksack dabei. Die ersten beiden Tage bin ich fast auf den Meter genau nach Michls gpx-Datei gefahren, danach war in der Gruppe natürlich auch Improvisation angesagt – es wurde aber kaum ein Schotterstraßerl ausgelassen, das unserem Freund wichtig gewesen ist. Das Wochenende an der LGKS wurde durch monatelanges hin- und herschreiben bzw. Gusto machen ja praktisch zu einem User-Treffen aus dem Mimoto-Reiseforum und so nicht nur zum fahrerischen, sondern auch zum gesellschaftlichen "Höhepunkt" der Reise, nach der wieder 4.500 Kilometer mehr am Tacho des Tigers standen: Es hat Spaß gemacht, Leute wiederzusehen, mit denen ich schon die eine oder andere Tour gefahren bin, und andere Gleichgesinnte kennenzulernen. Doch alles der Reihe nach:

© www.mikemoto.de
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Auf der geschotterten Südseite des Kunkelspasses
Auf der geschotterten Südseite des Kunkelspasses

Tag 1 • Durch die Schweiz

 

Streckenlänge: ca. 305 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

 

Feldkirch - Vaduz - St. Luzisteig - Kunkelspass - Oberalppass - Furkapass - Martigny

 

Eigentlich ging die Reise ja schon am Abend davor los, als ich den Tiger auf den Waggon des Autoreisezugs von Wien nach Feldkirch chauffierte, ausgeruht startete ich dann am Montag-Morgen vom Ländle aus in Richtung Liechtenstein bzw. Schweiz. Und zwar so richtig ausgeruht, hatte der Zug doch durch einen Unfall auf der Strecke rund eineinhalb Stunden Verspätung. Was meiner Laune freilich keinerlei Abbruch tat: Der erste Urlaubstag im Verein mit einer nie Langeweile aufkommen lassenden Route zauberten mir vielmehr ein unentwegtes Grinsen unter den Helm. Schon bald nach dem St. Luzisteig, der mir vor allem durch die massive Präsenz des Schweizer Militärs in Erinnerung blieb, wartete mit dem davor noch nie gehörten Kunkelspass ein wahres Kleinod abseits der großen, bekannten Bergstraßen: Auf der Nordseite ist das meist einspurige Sträßchen fast durchgehend asphaltiert, auf der steileren Südseite dann aber nur noch geschottert – ein Wegerl, wie für den Michl gemacht. Highlight der Strecke, für die man wie ich nachher gelesen habe, eine Mautgebühr von 7,50 Schweizer Franken entrichten soll (gültig für 5 Tage, erhältlich in den Hotels »Tamina« bzw. »Calanda« in Vättis oder während der Geschäftszeiten bei der Gemeindeverwaltung in Tamins/Quelle: alpenrouten.de) ist ein kurzer, unbeleuchteter Felstunnel.

Danach ging's kurvenreich weiter über Oberalp- (2.044 m) bzw. Furkapass (2.431 m), ehe ich am frühen Abend Martigny in der französischen Schweiz erreichte. Wo ich drei österreichische Landsleute traf, die ebenfalls mit Reiseenduros (zweimal BMW GS 1200, einmal KTM 1190 Adventure) allerdings (von Barcelona kommend) in die andere Richtung unterwegs waren und mit denen ich einen netten Abend verbrachte. Auf "Beweisfotos" wurde leider vergessen, ins Gespräch kamen wir, weil ich per Pedes aus Gewohnheit die linke Hand zum Gruß hob, als sie in der Innenstadt auf Quartiersuche waren…

Passhöhe Oberalppass
Passhöhe Oberalppass
Blick vom Furka- auf den Grimselpass
Blick vom Furka- auf den Grimselpass

Am Col de l'Iseran auf 2.770 Meter
Am Col de l'Iseran auf 2.770 Meter

Tag 2 • Auf der

Route des Grandes Alpes

 

Martigny - Col de la Forclaz - Col des Montets - Chamonix - Saint-Gervais-les-Bains - Col de Saisies - Beaufort - Col de Méraillet - Cormet de Roselend - Bourg-Saint-Maurice - Val d'Isère - Col de l'Iseran - Col de Mont Cenis - Lac du Mont Cenis - Susa - Oulx

 

 

Streckenlänge: ca. 300 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

 

Waren Tags davor noch am Morgen einige Restwolken von einem nächtlichen Regenguss am Himmel zu sehen gewesen, so präsentierte sich der zweite vom Aufstehen an mit Postkartenwetter. Also konnte es mir gar nicht früh genug losgehen, warteten doch jede Menge Pässe bis ins italienische Oulx, wo ich am Abend Max, Reiner, Klaus vom Berg sowie Klaus vom Tal treffen sollte, um mit ihnen in den nächsten Tagen die Schotterpisten des Piemont unsicher zu machen.

Col de la Forclaz
Col de la Forclaz
Col des Montets
Col des Montets
Imposante Ausblicke wohin man schaut
Imposante Ausblicke wohin man schaut
Spezialitäten am Cormet de Roselend...
Spezialitäten am Cormet de Roselend...
...und deren Verzehr bei Traumwetter
...und deren Verzehr bei Traumwetter

Die Strecke war von Anfang an fahrenswert, gleich nach Martigny schraubte sich die Straße kurvenreich zum Col de la Forclaz hoch, wo eine Gruppe Reiter im Western-Outfit auf der Passhöhe Pause machte. Weiter ging's über den Col des Montets nach Chamonix in Frankreich - vorbei am beeindruckenden Mont Blanc, der ja bekanntlich nach einer Füllfeder benannt und dessen schneebedeckter Anblick trotzdem fast unbeschreiblich ist, auch wenn ich im Kurvenrausch darauf vergaß, einen Fotostopp einzulegen…

 

Beim Col de Saisies begann sie dann, die Route de Grandes Alpes. Oft gelesen bzw. auf Bildern gesehen, aber noch nie da gewesen. Schon nach wenigen Kurven stellte sich dieser Flow ein, in den ich vor allem meist dann gerate, wenn ich allein unterwegs bin – ohne mit jemanden über diesen oder jenen Eindruck sprechen zu können, ohne auf einen Mitfahrer Rücksicht nehmen zu müssen. Da kratzen schon mal die Rasten am Asphalt, das Gefühl, wonach am Horizont auftauchende Motorräder einen spätpubertären "Jagdtrieb" wecken, kennt wohl fast jeder Pässe-Fahrer. Jene in Frankreich bzw. deren Straßenbelag bieten dazu ja auch einen Grip, der Schräglagenherzen höher schlagen lässt. Pausen wurden auch ein paar eingelegt, meist um Fotos zu machen, kaum mal länger als für wenige Minuten – zu sehr machte das Fahren Spaß. Am Cormet de Roselend wurde ich dann kurz zum Gourmet und kaufte mir ein leckeres Käsebaguette, das zusammen mit einer Landjäger, die noch im Tankrucksack auf Verzehr gewartet hatte, für ein ganz besonderes Geschmackserlebnis auf 1.968 Metern sorgte, zu dem Traumwetter und -aussicht das ihre beitrugen. Ich hätte es jedenfalls in dem Moment gegen kein Menü in einem Hauben-Restaurant getauscht.


Die Iseran-Kapelle auf 2.770 Meter
Die Iseran-Kapelle auf 2.770 Meter

Der bekannte Wintersportort Val d'Isere verfügt zumindest im Sommer über wenig Charme und veranlasste mich zu keinem Zwischenstopp, die anschließende Fahrt über den Col de l'Iseran war dafür ein Höhepunkt des Tages, nicht nur weil sie bis auf 2.770 Meter hinauf führte. Kaum jemand, der sich dort oben auf einem der höchsten Straßenpässe der Alpen angelangt nicht fotografieren lässt, vor allem den Radfahrern – oft erstaunlichen Alters – gehört mein Respekt, mit dem Motorrad würde ich ihn fahrerisch ja zu den einfacheren Alpenpässen zählen. Sehenswerte Aussichten und die Iseran-Kapelle mit ihren wuchtigen Steinmauern geben dafür genügend Motive ab, um sich ablichten zu lassen bzw. Erinnerungsfotos zu machen.


Blick auf den malerischen Lac Cenis
Blick auf den malerischen Lac Cenis

Weiter ging es dann über den Col de Mont Cenis vorbei am malerischen Gebirgssee Lac Cenis. Von hier aus hätte der Michl eigentlich die Schotterstrecke zum Lac de Roterel fahren wollen. Aufgrund der im allgemeinen recht verlässlichen Infos meines Freundes Mimoto ließ ich die Rüttelpiste, die nicht umsonst von Denzel mit SG 4-5 klassifiziert wird, aus - so etwas geht man besser nicht alleine an. Also ging's nach ein paar Schotterstraßerl am Ufer des Cenis weiter Richtung Susa und von dort zum Tagesziel nach Oulx, einem idealen Ausgangspunkt für Schottertouren durch den Piemont. Bei der Auberge, in der wir uns auf Empfehlung von Max einquartieren hatten wollen, stand ich jedoch vor verschlossenen Türen - Urlaub. Und da ich als erster in Oulx gewesen bin, blieb es mir vorbehalten, eine Alternative zu suchen, die ich dann unweit vom Bahnhof auch fand, zur Zufriedenheit von Reiner und Klaus vom Berg, die rund zwei Stunden später eintrafen. Reiner und Max kannte ich ja bereits und schon beim ersten Bier bzw. Panaché (Radler) war klar, dass auch die beiden Kläuse (jener vom Tal und jener vom Berg) auf meiner Wellenlänge liegen bzw. fahren, sich da eine ganz feine Truppe gefunden hatte…


Tag 3 • Assietta & Co.

 

Die genaue Route habe ich nicht mehr im Kopf, als Highlights des Tages stand folgendes am Speisezettel:

 

Col de Finestre

• Forte di Fenestrelle

Assietta Kammstraße

Monte Jafferau

 

Anbei die Tracks von Jafferau bzw. Assietta Kammstraße zum Download:

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Track Monte Jafferau
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Track Assietta Kammstraße
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Assietta-Kammstrasse_(AKS).gpx.xml
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"Fahrerlager" in Oulx
"Fahrerlager" in Oulx

Der Campingplatz von Oulx, wo wir am frühen Morgen Max und Klaus vom Tal trafen, hatte einen Touch von Fahrerlager: Motorräder wohin man schaute warteten darauf, die Pisten des Piemonts zu erkunden, von kleinen Sportenduros bis zu dicken Reiseenduros war alles vertreten, womit man die Schotterstraßen dort in Angriff nehmen kann. Natürlich auch Quads und Mountainbikes, manch einer hatte lediglich die Wanderschuhe vorm Zelt stehen. Bei Klaus und Max war es jeweils eine alte Honda Dominator, die sie in ihren Ducatos ins Zielgebiet chauffiert hatten. Reiner und Klaus vom Berg, den ich in weiterer Folge der Einfachheit halber bei seinem Forumsnamen "Stritzel" nennen werde, waren mit zwei über den Winter in liebevoller (und bewundernswerter) Arbeit restauriert- bzw. aufgebauten Yamaha 750 Super Teneres unterwegs, ich ließ in bewährter Manier den Tiger fauchen.

Papa Max, der alle(s) kennt
Papa Max, der alle(s) kennt
Reiner, der Genießer
Reiner, der Genießer
Klaus vom Berg, der Stritzel
Klaus vom Berg, der Stritzel

Klaus vom Tal, der Enduro-Profi
Klaus vom Tal, der Enduro-Profi

Ein Wort zu Klaus (bei dem ich den Zusatz "vom Tal" ab jetzt eben auch weglasse): Der Bursch ist nicht nur ein feiner, lustiger Geselle, mit dem ich mich auf Anhieb gut verstand - als Enduro-Rennfahrer zog er im Schotter Kreise um uns und hatte immer wieder passende Offroad-Tipps parat, so dass die Tage mit ihm fast einem Enduro-Training gleichkamen, das mir wahrscheinlich mehr brachte als Hechlingen oder Terra-X-Dream zusammen, obwohl ich beide Trainings allen empfehlen kann, die ihre Fertigkeiten abseits befestigter Straßen verbessern wollen. Danke nochmal dafür, Bruderherz! Dass er sich im Gegenzug, wie er meinte, bei der ein oder anderen Pässe-Hetzerei auf Asphalt von meiner Linie etwas abschauen konnte, freut und ehrt mich gleichermaßen.

Wie ein Gummiband zieht sich der Weg am Col de Finestre kurvenreich bergwärts
Wie ein Gummiband zieht sich der Weg am Col de Finestre kurvenreich bergwärts
Blick vom Col de Finstre
Blick vom Col de Finstre

Zum Aufwärmen nahmen wir zu allererst den Col de Finestre unter die Stollenräder, ein kurvenreicher, aber aufgrund der guten Fahrbahnbeschaffenheit einfach zu fahrender Schotterpass, auf dem Unentwegte sogar auf Straßenrennrädern (!) raufstrampelten. Irgendwie hatten sie mir fast leid getan, dass sie den Staub unserer Mopeds schlucken mussten, aber bei Traumwetter staubts eben, das ist selbst bei rücksichtsvoller Fahrweise kaum zu verhindern – dafür ist an dem Tag garantiert keiner nass oder gatschig geworden. Oben am Pass, von wo es anschließend auf der Südrampe asphaltiert weiter geht, lohnen die paar Schritte zur kleinen Gipfelfestung.

Gipfelfestung am Col de Finestre
Gipfelfestung am Col de Finestre
Die Südrampe zum Pass ist asphaltiert
Die Südrampe zum Pass ist asphaltiert

Am Fuße des Forte di Fenestrelle
Am Fuße des Forte di Fenestrelle

Apropos Festungen. Deren gibt es in der Ecke zu Hauf, die beeindruckendste ist mit Sicherheit die überwältigende Anlage des Forte di Fenestrelle, laut Max – und der kennt dort so ziemlich alle(s) – der zweitgrößte Ziegelbau hinter der Chinesischen Mauer. Wir haben's ihm mal so geglaubt, beeindruckend ist das Bauwerk allemal: Über drei Kilometer (!) zieht sich das Mauerwerk vom Tal über den Südhang des Valle del Chisone hinauf und überwindet dabei nicht weniger als 600 Höhenmeter – streng genommen besteht das Fort aus drei aneinander gebauten Festungen (San Carlo, Tre Denti und Delle Valli). Doch damit genug Kultur, wer's besichtigen will, weiß ja jetzt, dass es das Forte di Fenestrelle gibt. Wir waren ja schließlich zum Fahren dort. Was wir nach einer Mittagspause, die mir spätestens dann schon fast ein wenig zu lang erschien, als Reiner – eindeutig der Genießer in unseren Reihen – noch einen finalen Capuccino bestellte, endlich auch wieder taten. 

Das Warten hatte sich aber gelohnt. Ein Stück unterhalb des Finestre wartete der Einstieg in die Assietta-Kammstraße auf uns, wie viele dieser Schotterpisten im italienisch-französischen Grenzgebiet eine ehemalige Militärstraße, die heute Wanderer, Radfahrer und Enduristen gleichermaßen anlockt. Die Strecke, von Denzel mit SG 3-4 klassifiziert, stellt keine übermäßigen Ansprüche an Fahrer und Motorrad und ist zumindest bei Trockenheit durchaus auch mit Straßenmaschinen zu bewältigen. Wirklich sensationell sind dafür die Ausblicke von dort oben, die einen immer wieder in ihren Bann ziehen. Wir sind nicht die gesamten 34 Kilometer der durchwegs auf Höhen zwischen 2000 und 2500 Metern verlaufenden Strecke bis zum Colle di Sestriere gefahren, sondern über Skipisten und Waldwege hinunter nach Sauze d'Oulx, da wir noch den Jafferau auf der To-do-Liste hatten und sich der Tag langsam aber sicher dem Ende zuneigte.

Blick von der Assietta-Kammstraße auf den Monte Jafferau, unser letztes Tagesziel
Blick von der Assietta-Kammstraße auf den Monte Jafferau, unser letztes Tagesziel
Teilweise wars zum Jafferau grob geschottert
Teilweise wars zum Jafferau grob geschottert

Max hatte bereits genug, auch Reiner drehte am halben Weg zum Jafferau bzw. am Monte Pramand wieder um – sie versäumten nicht nur die bis zu diesem Zeitpunkt anspruchsvollste Strecke sondern auch einen Tunnel, dessen Durchfahrt einen Hauch von Abenteuer hatte. Vor allem Klaus kann ein Lied davon singen: Er blieb nämlich mittendrinnen stehen, um Stritzel und mich bei der Durchfahrt zu filmen und fand danach – als die Lichter unserer Motorräder weg waren – seine Domi nicht mehr! Plötzlich war's stockdunkel, sah man die eigene Hand vor den Augen nicht…

...was lernen wir daraus? Sich niemals ohne Taschenlampe in einem unbeleuchteten Dunnel vom Moped entfernen!

Abenteuerlich: Die Fahrt…
Abenteuerlich: Die Fahrt…
…durch den Jafferau-Tunnel
…durch den Jafferau-Tunnel

Westportal des "Galleria dei Saraceni"
Westportal des "Galleria dei Saraceni"

Der Tunnel selbst, der "Galleria dei Saraceni" heißt und dessen Durchfahrt 2013 offiziell gesperrt ist (die Sperre wurde aber soweit aus ihrer Verankerung gerissen, dass man mit einem einspurigen Fahrzeug vorbei kommt, was nach meinen Informationen offenbar toleriert wird, auch wir konnten der Versuchung nicht widerstehen) ist ca. 850 Meter lang und gleicht einer Tropfsteinhöhle. Man wird aber nicht nur von oben nass - stellenweise geht's durch knöchelstiefes Wasser. Am Westportal angelangt, windet sich die Strecke weiter zum Col Basset und dann auf Kammniveau zum Gipfelfort des Monte Jafferau, zu dem wir dann aber leider nicht mehr hochgefahren sind – langsam war's Zeit fürs Abendessen und man muss sich ja schließlich auch etwas Aufheben, um einen vernünftigen Grund zu haben, wiederzukommen. Ja, ja - ich weiß schon: Als ob ich je etwas Vernünftiges gebraucht hätte.

Am Col d'Izoard auf 2.360 Meter
Am Col d'Izoard auf 2.360 Meter

Tag 4 • Drei Wege, ein Ziel

 

Oulx - Claviere - Briancon - Col de l'Izoard - Col de Vars - Saint-Paul-sur-Ubaye - Col de Larche - Demonte - Col de la Lombarde - Isola 2000 - Saint-Etienne-de-Tinée - Col de Raspaillon - Col de la Bonette - Cime de la Bonette - Jausiers - La Condamine-Chatelard - Col de Larche - Demonte

 

Streckenlänge: ca. 360 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

 

Donnerstag Früh war wieder Verabschieden angesagt, obwohl wir allesamt Demonte als Ausgangspunkt für die Maira-Stura-Kammstraße zum Tagesziel auserkoren hatten: Reiner und Stritzel wählten dafür einen großen Halbkreis durch Frankreich über den Col Agnel, der auf 2.744 m einen phänomenalen Ausblick bietet, Max und Klaus chauffierten ihre Domis jeweils im Ducato via Turin über die Autobahn und ich entschied mich für die Fortsetzung der Route de Grande Alpes, um die beiden letztgenannten dann am Nachmittag unterwegs zu treffen und gemeinsam noch ein paar Cols anzusteuern. Was soll ich viel schreiben? Vom ersten bis zum letzten Kilometer Fahrspaß pur und vor allem gigantische Ausblicke, wie etwa auf die "Mondlandschaft" am Col de l'Izoard auf 2.360 Metern Seehöhe.

Ausblick vom Col de l'Izoard
Ausblick vom Col de l'Izoard
Beliebtes Foto-Motiv auf der Passhöhe
Beliebtes Foto-Motiv auf der Passhöhe

Ein speziell bei Radfahrern besonders beliebter Pass ist der Col de Vars, wie die meisten auf der französischen Alpenroute recht flott zu fahren (was für ein Grip!) und in eine sehenswerte Landschaft gebettet. Hier gönnte ich mir eine kurze Schoko-Riegel-Pause, ehe es bald wieder Richtung Italien und über den Col de Larche nach Demonte ging. Dort suchte ich mir zunächst ein Quartier, entledigte den Tiger der Seitenkoffer und wartete dann im von Max empfohlenen und wie immer bei Max' Empfehlungen ausgezeichneten Straßencafé auf das Eintreffen der beiden Ducato-Fahrer, die doch tatsächlich geglaubt hatten, sie würden mir schon auf ihren Motorrädern entgegenkommen, da es über die Autobahn weit rascher zu unserem Zielort gehen würde…

Col de Vars
Col de Vars
Col de Larche
Col de Larche

Doch trotz aller fahrerischen Highlights am Weg bis Demonte standen die echten Schmankerl des Tages noch bevor. Etwa der Col de la Lombarde, eine eher abseits der bekannten Pässe gelegene Verbindung zwischen Italien und Frankreich, die auf italienischer Seite einen Genuss fürs Auge und eine Herausforderung für die Reifen darstellt. Oben auf der Passhöhe auf 2.350 m zeigte uns Papa Max, der uns zu diesem Zeitpunkt längst adoptiert hatte, noch eine feine Schotterstraße - er selbst fühlte sich nicht wohl genug bzw. war durch die Troubles mit der Vorderradbremse an seiner Domi nicht mehr in der Stimmung dafür. Klaus und meine Wenigkeit nahmen den Tipp aber dankbar auf und fuhren die teils recht grobschottrige Strecke bis zum bitteren Ende – weiter wäre es nur noch mit leichtem Gerät gegangen, mit unseren Reiseenduros war aber defenitiv Schluss.

Col de la Lombarde
Col de la Lombarde
Vom Lombard führt ein Weg weg
Vom Lombard führt ein Weg weg
...den wir bis Ende Gelände fuhren
...den wir bis Ende Gelände fuhren

Cime de la Bonette (2.802 m)
Cime de la Bonette (2.802 m)

Es ging aber noch (viel) höher hinauf. Genaugenommen auf den höchsten per asphaltierter Straße erreichbaren Punkt Europas, den Cime de la Bonette. Die französische Abfahrt vom Lombard runter bis zum Wintersportort Isola 2000 glich im Vergleich zur engen, weit anspruchsvolleren bzw. spaßbringenderen italienischen Seite fast einer Autobahn. Von St-Etienne-de-Tinée nordwärts ging's dann wieder durch atemberaubende Berglandschaften über den Col de Raspaillon (2.513 m) und den Col de la Bonette (2.715 m), von wo man auf einer eigens angelegten Schleife zum Cime de la Bonette (2.802 m) gelangt. Deren "Berechtigung" ergibt sich nicht nur im Wettstreit mit Stilfser Joch bzw. Col de l'Iseran, die damit an Höhenmetern übertrumpft werden, sondern auch im unglaublichen Panoramablick, den man von dort oben auf die umliegenden Gipfeln der Seealpen genießen kann. Ich "musste" die Schleife allerdings zweimal fahren, da ich bei meiner eingeschlagenen Reisegeschwindigkeit den "Hinkelstein" am höchsten Punkt glatt verpasste und mich dann minutenlang wunderte, wo denn Max und Klaus nur bleiben – aber ein Fotostopp dort ist eben wirklich Pflicht.

Ausblick vom Cime de la Bonette
Ausblick vom Cime de la Bonette

Anschließend ging es mit den letzten Tropfen Sprit runter bis Jausiers, wo Bruder Klaus – von einigen topausgestatteten GS-Fahrern an der Tankstelle ob seiner in die Jahre gekommen Dominator mit Bierkisten-Topcase mitleidig belächelt – beim Losfahren eine sehenswerte Wheelie-Einlage einstreute…

Den Rest der Strecke bis Demonte war ich ja schon zur Mittagszeit gefahren, aber es gibt definitiv Schlimmeres als zweimal am Tag die Kurven des Col de Larche mitzunehmen. Beim Abendessen erfuhren wir, dass auch Reiner und Stritzel inzwischen wohlbehalten am Tagesziel angekommen waren.

Auf der Maira-Stura-Kammstraße
Auf der Maira-Stura-Kammstraße

Tag 5 • Zufalls- und

Familientreffen…

 

Vom Ausgangspunkt Demonte standen sehens- und vor allem fahrenswerte Schotterstrecken am Speisezettel - die Highlights des Tages:

 

Maira-Stura-Kammstraße

Colle di Sampéyre

Varaita-Maira-Kammstraße

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Track: Maira-Stura-Kammstraße
Quelle: www.alpenrouten.de
Maira-Stura-Kammstrasse.gpx.xml
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Track: Varaita-Maira-Kammstraße
Quelle: www.alpenrouten.de
Varaita-Maira-Kammstrasse.gpx.xml
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© ryna
© ryna
Beschreibung einer Wanderroute – oder Gedenkstein für Herrn Timberland?(zum Vergrößern Bild anklicken)
Beschreibung einer Wanderroute – oder Gedenkstein für Herrn Timberland?(zum Vergrößern Bild anklicken)

Zu fünft gingen wir die nächsten Schotterhighlights an, zunächst die Maira-Stura-Kammstraße, die sich auf einer Länge von knapp 25 Kilometern fast durchwegs in Höhen um die 2.400 Meter durch die Berge schlängelt. Schon die Anfahrt war jeden Kilometer wert, dann endlich im Schotter angelangt wurden wir mit herrlichen Panoramablicken und einer feinen Piste belohnt. Bei der anschließenden Einkehr in einem – no, na – von Max empfohlenen Refugio, erhärtete sich unser Verdacht, dass der rüstige Pensionist hier nicht nur jede Ecke bzw. Straße kennt, sondern vor vielleicht 20 Jahren auch anderwertig aktiv gewesen ist: Nicht wenige der jungen Kellnerinnen sahen ihm jedenfalls wie aus dem Gesicht geschnitten ähnlich…

Klaus und Max auf der Maira Stura
Klaus und Max auf der Maira Stura
Kurzweilige Kaffeepause
Kurzweilige Kaffeepause

Nach diesem "Familientreffen" bei Kaffee (und ohne Kuchen) kam's wenig später am Col de Sampyére zu einem Zufallstreffen der anderen Art: André und Micha, die mit ihren 690er-Katies gerade die Varaita-Maira-Kammstraße hinter sich gebracht hatten und die wir eigentlich erst Tags darauf in unserem LGKS-Hauptquartier treffen sollten, hatten unsere Motoren am Klang erkannt und warteten auf der Passhöhe schon mit gezückter Kamera. Leider waren sie in die andere Richtung unterwegs, Zeit für ein Erinnerungs-Gruppenfoto blieb dennoch:

Zufallstreffen: Die "Glorreichen Sieben" am Eintstieg zur Varaita-Maira-Kammstraße --> © www.mikemoto.de (Klick ins Bild = Link zu Michas Seite)
Zufallstreffen: Die "Glorreichen Sieben" am Eintstieg zur Varaita-Maira-Kammstraße --> © www.mikemoto.de (Klick ins Bild = Link zu Michas Seite)
Reiner und Stritzel auf der Varaita Maira
Reiner und Stritzel auf der Varaita Maira

Die anschließende Fahrt über die Varaita-Maira-Kammstraße, bei der Sonnenschein und dichte Wolken im Minutentakt wechselten, wodurch die Sicht stellenweise äußerst beschränkt gewesen ist, brachte uns nicht nur eine Begegnung mit einer Meute "zweiradnarrischer" Hunde, sondern Reiner und mir auch erste Bodenberührungen: Mich erwischte es in einer recht steilen Kehre, die ich zu eng anfuhr, wodurch mir das Hinterrad wegrutschte, ihn in einer tiefen Pfütze – weshalb er zwar ungleich weicher fiel, was dafür aber auch deutlichere "Spuren" hinterließ…



Tag 6 • Kurze Schrecksekunde und

ein fast 60 Kilometer langer Genuss

 

Demonte - Madonna del Colleto - Entracque - Limone Piemonte - Fort Central - Ligurische Grenzkammstraße - Pigne - San Remo - Castellaro

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Track: Ligurische Grenzkammstraße
Quelle: www.alpenrouten.de
Ligurische_Grenzkammstrasse_(Nord).gpx.x
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Ach sechsten Tag hieß es früh aufstehen, wollte ich doch André und Micha schon beim Frühstück in ihrem Quartier in Entracque  treffen. Sie hatten die geniale Idee geboren, bereits auf der Anreise die Ligurische Grenzkammstraße - die ja eigentlich erst für Sonntag geplant gewesen war - von Nord nach Süd zu fahren. Schließlich müsse man ja irgendwie runterkommen ins schon im voraus gebuchte "Forums-Quartier" nach Castellaro und warum dann nicht gleich die schönste Strecke wählen? Davor brachte ich noch meine Seitenkoffer zu Max am Campingplatz in Demonte, die er mir freundlicherweise im Ducato mitnahm. Jedes Kilo weniger am Tiger kann kein Nachteil sein. Schon die Fahrt durch den Frühnebel bzw. über Madonna del Colleto war Kurvenspaß pur (ein absolut empfehlenswertes "Pässchen", dass das Stura-Tal mit dem Valle Gesso verbindet). Bevor es auf italienischer Seite den Tende rauf ging, trafen wir noch Sascha – und gerade als wir losfahren wollten, läutete mein Handy. Bruder Klaus, den wir offenbar wenige Minuten davor im Ducato sitzend überholt hatten, hatte Appetit bekommen, die Dominator auszupacken und uns ein Stück des LKGS-Weges zu begleiten…

Bei Klick ins Bild gelangst du zum Video
Bei Klick ins Bild gelangst du zum Video

Also ging's zu fünft hoch zum Fort Central, wo der Tag gleich mit einer richtig üblen Schrecksekunde begann – vor allem für Sascha. Denn der stürzte in einem kurzen Moment der Unachtsamkeit seine frisch im Retro-Rally-Design lackiert- bzw. folierte Yamaha XT 660 Z Ténéré fünf Meter in die Tiefe. Er selbst konnte gerade noch Abspringen, das Motorrad überstand den Fall aber wie durch ein Wunder bis auf ein paar Kratzer praktisch unversehrt. Nach einer adrenalinfördernden Berge-Aktion aus dem Graben beim Fort und einer kurzen Besichtigung dessen Innenraums nahmen wir dann mit etwas Verspätung und immer noch ein wenig aufgekratzt die Ligurische Genzkammstraße in Angriff.


Einfahrt ins Schotterparadies
Einfahrt ins Schotterparadies

Die auf einigen Stellen der LGKS im Sommer/Herbst 2013 durchgeführten Instandhaltearbeiten hatten am Wochenende Pause, demzufolge störte es auch niemanden, die einspurige Einfahrt ins Schotterparadies zu nehmen. Ich will gar nicht daran denken, welche Strapazen jene Leute auf sich zu nehmen hatten, die im 19. Jahrhundert diese hochalpine Straße – damals zu militärischen Zwecken – erbauten, ich bin ihnen jedenfalls dankbar. Denn die Mischung aus fahrerisch anspruchsvollen Pisten und eindrucksvollen Ausblicken kann ihresgleichen suchen und ist vor allem in dieser Länge im Herzen Europas einzigartig. Man darf sich jetzt nicht vorstellen, dass es über die gesamten knapp 60 Kilometer abenteuerlich zugeht, über weite Strecken ist die LGKS eigentlich recht einfach zu fahren und im Denzel Alpenführer mit SG 3-4 klassifziert, einige grob geschotterte Abschnitte (SG 4-5) haben es aber zumindest mit Reiseenduros nicht nur wegen der ungesicherten Ränder, bei denen es oft steil hinab geht, definitiv in sich. Zudem ist die Landschaft traumhaft schön. Aber am besten sprechen sowieso die Bilder für sich:



Hier war zumindest die GoPro noch dabei…
Hier war zumindest die GoPro noch dabei…

Wir hatten jedenfalls mächtig Spaß, auch wenn dieser bei André ein wenig getrübt wurde. Der Verlust des Nummernschilds wäre ja noch recht einfach zu verkraften gewesen, dass sich auf der Rüttelpiste irgendwann dann auch noch eine GoPro verabschiedete, schmerzte jedoch schon deutlich mehr. Zumal er damit davor noch sicher recht spektakuläre aber so eben auch verloren gegangene Aufnahmen an der gemauerten Kehre des Col de la Boaire (2.102 m) gemacht hatte, der wohl bekanntesten und meistfotografiertesten Stelle der LGKS (deren Bild auch am Header meiner Homepage zu sehen ist)…

Danach folgt übrigens mit dem Col de Malabergue (2.224 m) nicht nur der höchste, sondern auch schwierigste Abschnitt der gesamten Kammstraße, der mit grobem Schotter, Auswaschungen und kleinen Felsstufen Mensch und Motorrad doch einiges abverlangt. 

Am Colle del Lago dei Signori (2.111 m), unter dessen Scheitelhöhe das im Sommer bewirtschaftete Rifugio Don Barbera liegt, verabschiedete sich dann Klaus wieder von uns und fuhr die Strecke allein zu seinem vor dem Tende-Tunnel abgestellten Ducato zurück. Für uns vier ging's indessen weiter Richtung Süden, vorbei am Colle delle Selle Vecchie (2.099), nach dem die davor meist hochalpine Felsenlandschaft mitunter lichten Lärchenwäldern weicht, die Aussicht nur mehr stellenweise an jene im nördlichen Teil der LGKS herhankommt. Dennoch bleibt es bis zum Schluss, wo die Schotterstrecke auf der Scheitelhöhe des Colla di Langan oberhalb von Pigna wieder in Asphalt übergeht, spannend und fahrenswert. Und am Ende des Tages hat man etwas geschafft, auf des man ein klein wenig stolz sein kann. Auch wenn sich schon beim zweiten Bier am Abend, wie Micha treffend prophezeite, die Strecke weit harmloser in Erinnerung ruft, als sie einen noch wenige Stunden davor beim Fahren gefordert hatte. Aber so sind wir nun einmal und das ist auch gut so. Im feinen Golfhotel, das nun für zwei Tage zum Mimoto-Forumsquartier wurde, waren bereits zahlreiche Mitstreiter eingelangt, die alle namentlich aufzuzählen den Platz hier sprengen würde - nur kurz: Es sei mir jeder dieser feine Meute Gleichgesinnter, mit denen bis lange nach dem Abendessen die Themen nicht ausgingen, an dieser Stelle herzlich gegrüßt.

André mit "neuem" Nummernschild
André mit "neuem" Nummernschild

 Tag 7 • Viel kurviger geht's nicht

 

Castellaro - San Remo - Colla di Langan - Einstieg zur LGKS - zurück zum Hotel - Dolceacqua - Olivetta San Michele - Col de Vescavo - Piene Haute - Col de Brouis - Sospel - Olivetta San Michele - Ventimiglia - Dolceacqua - Isolabona - Apricale - Bajardo - San Remo - Taggia - Castellaro

 

Streckenlänge: ca. 310 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

 

Am nächsten Morgen weckten mich Regentropfen auf der Terasse - ausgerechnet jener Tag, an dem mit der gemeinsamen Fahrt über die Ligurische Grenzkammstraße der Höhepunkt der Reise auf dem lange gehegten Plan stand, präsentierte sich als erster wettertechnisch so gar nicht wie aus dem Bilderbuch. Der Blick in die Gesichter der Kollegen, die schon am Vortag drübergefahren waren, sagte alles: Die Begeisterung hielt sich in Grenzen, aus einer Art "Gruppenzwang" bzw. Loyalität zum Max sowie unseren beiden Schweizer Freunden Edi und Pascal, die ja extra dafür so weit gereist waren, fuhren wir dann aber doch wie geplant los. Zu acht, da das Gros der Leute ohnehin von Haus aus onroad bleiben wollte, der eine oder andere aufgrund der unsicheren Wetterlage Abstand von der LGKS nahm.

Pascal & Wolf bzw. sauberer & schmutziger Tiger
Pascal & Wolf bzw. sauberer & schmutziger Tiger

Als der Regen am Colla di Langan stärker wurde, entschied sich auch Max, das LGKS-Abenteuer aufzuschieben und verabschiedete sich von der Gruppe, Pascal (Tigertrail), den ich ja schon lange als treuen Besucher meiner Seite und vom Tigerhome her virtuell kannte und nun endlich auch persönlich getroffen hatte, wollte sich die Sache zumindest ansehen. Und ich hätte mich an der Abzweigung zum Colle Melosas, wo die Straße von Teer in Schotter übergeht, um ein Haar "verbrannt", als ich kurz überlegte, am vor mir fahrenden Edi und seiner Adventure 990 vorbeizuziehen, um mich an Mimotos Hinterrad zu heften – wäre eher peinlich geworden, hatte ich doch keine Ahnung, dass dieser Enduro- und Trailwettkämpfe bestreitet und so offroadmäßig eher in der Liga von Klaus fährt: Nach nur wenigen Kehren hatte ich ihn jedenfalls nicht mehr gesehen… ;-)

Als Pascal dann entschied, seinem Tiger den groben Schotter der LGKS nicht mehr weiter anzutun, kehrte ich mit ihm um und im Refugio beim Einstieg auf einen Kaffee ein. Als wir wieder aus dem Lokal rauskamen, lachte uns die Sonne ins Gesicht und die fünf verbliebenen Schotteristi berichteten am Abend von einem tollen Tag. Den hatten freilich auch wir, wenn auch etwas anders als geplant.

Idyllische Brücke in Dolceacqua
Idyllische Brücke in Dolceacqua

Zurück im Quartier liefen uns Reiner und Stritzel über den Weg und wir fuhren gemeinsam Richtung Dolceacqua, wo wir uns mit Max trafen. Da die "Genießer", denen sich auch Pascal und der unterwegs aufgelesene Jörg (jheid) anschloß, dort erst einmal ein Lokal aufsuchen wollten, dem Max und mir aber der Sinn nach Fahren stand, trennten wir uns von der Meute. Was soll ich sagen: Der ortskundige Papa weiß halt, was seinem Buam gefällt, lotste mich über kleine und allerkleinste sowie -steilste Straßen, viel kurviger und steiler als etwa die Fahrt durch Brunetti und Trinita geht eigentlich schon physikalisch fast nicht mehr. Von Olivetta San Michele ging's über die grüne Grenze nach Frankreich, den kleinen, nur 500 Meter hohen und lediglich 10 Kilometer vom Meer entfernten Col de Vescavo, ehe sich kurz vor Piene Haute auch mein Magen bemerkbar machte. "Mir wär' jetzt nach einem Sandwich!" Spätestens nach seiner Reaktion auf diese Frage wurde mir der Max wirklich unheimlich. "Kein Problem Bua, ganz in der Nähe gibt's die besten von ganz Frankreich!" Gesagt, einfach links rein in einen "Feldweg", aus dem gerade eine Reihe Allradfahrzeuge bogen, und dann über einen feinen Schotterpass, wo ich den Tiger so richtig treiben konnte, auf den Col de Bruis. Was soll ich sagen: Das Sandwich, das der junge Kellner – müssig zu erwähnen, dass auch er dem Papa verdächtig ähnlich sah – dort servierte, war tatsächlich mit das beste, das ich je gegessen habe…

Mit dem Fahrspaß war's damit jedoch noch lange nicht vorbei, auch die asphaltierte Seite des Col de Brouis Richtung Sospel braucht sich nicht zu verstecken, und so kosteten wir die Streckenvielfalt Liguriens bis zur Dämmerung aus.

Ein Rundum gelungener Tag, auch (fast) ohne LGKS!

Tag 8 • Pause für den Tiger

 

Hotelzimmer - Hotelpool - Hotelbar - Hotelrestaurant (und das in mehreren Durchgängen)

Streckenlänge: Überschaubar

Streckenbeschaffenheit: Zum Abend hin kurviger

Edi und Rainer (Glider)
Edi und Rainer (Glider)
Karl (Stromer)
Karl (Stromer)
Pascal (Tigertrail)
Pascal (Tigertrail)

Vom Denzel-Alpenführer geträumt? © Mimoto
Vom Denzel-Alpenführer geträumt? © Mimoto

Montag Morgen war allgemeines Packen und Händeschütteln angesagt, die Meute zerstreute sich wieder in alle Himmelsrichtungen. Klaus und Max fuhren ihre Domis mit den Ducatos heim, Sascha und Nina die Tenerees am Hänger, die meisten aber stiegen aufs Motorrad, wobei sich zumindest für Teilstrecken am Weg nach Hause Fahrgemeinschaften gefunden hatten. André und Micha, deren TransPyrenäa-Reise ja noch bevorstand, verlängerten dagegen wie ich um eine Nacht im Golfhotel, um einen Ruhetag einzulegen. Ganz ohne Tiger, nur mit einem Buch (der Alpenführer vom Denzel lieferte Ideen für die zweite Woche) genoss ich die Ruhe am Pool, wie Micha am Schnappschuss links freundlicherweise festhielt. Bei (zumindest) einer Flasche Rotwein gedachten wir unserem Freund Michl, tauschten Geschichten aus und schmiedeten Reise- bzw. Abenteuerpläne, deren Umsetzung sicher zumindest ebenso spannend werden würde, wie die gemeinsamen Tage davor. 

Tag 9 • Noch zwei unvergessliche Strecken

Auf 46 dicht übereinanderliegenden Kehren zieht sich der Col de Tende den Berg hinauf…
Auf 46 dicht übereinanderliegenden Kehren zieht sich der Col de Tende den Berg hinauf…
Malerische Kulisse im Ort Tende
Malerische Kulisse im Ort Tende

 

Castellaro - San Remo - San Michele - Breil-sur-Roya - Tende - Col de Tende - Fort de la Marguerie - Fort Central - Limone Piemonte - Vernante - Cuneo - Fossano - Canale - Poirino - Settimo Torinese - Ceresole Reale - Colle del Nivolet - Ceresole Reale

 

Streckenlänge: ca. 380 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

 

Am Col de Tende
Am Col de Tende

Am Dienstag war ich wieder allein unterwegs, über San Remo ging es nordwärts zum Col de Tende, dessen 46 eng übereinander liegenden Kehren schon ein ganz besonderes Schmankerl sind. Zu Beginn ist die Strecke noch asphaltiert, wenn man diese ruppige, schmale "Straße" so bezeichnen will, nach etwa zwei Drittel geht der Belag dann in Schotter über. Nix extremes, bei gutem Wetter auch mit reinen Straßenmotorrädern zu schaffen, durch die wüste Kehrenfolge aber dennoch ein außergewöhnliches Fahrerlebnis, gepaart mit einer wunderbaren Aussicht auf das Fort Central und die umliegenden Berge. Oben angekommen trieb ich mich noch eine Weile auf den diversen Schotterwegen herum, bis zum Fort de la Marguerie und rund ums Fort Central, wo wir drei Tage davor ja ein besonders adrenalinförderndes Erlebnis hatten.



Am Weg auf den Colle del Nivolet
Am Weg auf den Colle del Nivolet

Danach ging's an der Nordseite auf Asphalt wieder runter Richtung Limone Piemonte, wo dann der weniger aufregende Teil der Tagesroute begann. Aber die Kilometer mussten auch gemacht werden und weil ich beim "Wandern" oben am Tende zu viel Zeit vertrödelt hatte, strich ich schweren Herzens die ursprünglich geplante Fahrt über den Cole del Colombardo – ein feiner Schotterpass, den Reiner, Max und die beiden Kläuse vor unserem Treffen gefahren waren und den sie mir besonders ans Herz gelegt hatten. Dies nur noch einmal zu den Gründen, bald mal wieder in diese Ecke zu kommen…

Ich wollte allerdings unbedingt noch bis Ceresole Reale am Fuße des Colle del Nivolet kommen, um diesen dann am nächsten Morgen gleich nach dem Frühstück hochzufahren. Der Nivolet ist eine Sackgasse bzw. ein Stich in den Gran Paradiso Nationalpark und liegt leider ziemlich abseits sämtlicher gängiger Alpenrouten, was mit einer wenig spannenden Anfahrt vorbei an Turin verbunden ist. Es zahlt sich aber aus! Eine wunderbar in die Landschaft gebaute Strecke, toller Asphalt mit Grip ohne Ende zum Kurvenschwingen und eine atemberaubende Aussicht machen ihn für mich zu einer der schönsten und beeindruckendsten Alpenstraßen überhaupt. Da ich Ceresole Reale so kurz nach 18 Uhr erreichte und die Wolkendecke Regen befürchten ließen, fuhr ich gleich noch am Abend hinauf. Der Schranken, an dem die Strecke für den öffentlichen Verkehr endet (und hinter dem eine Schotterstrecke lockte), wäre zwar kein wirklich unüberwindbares Hindernis gewesen, Hunger, Uhrzeit und die Tatsache, dass ich noch ein Quartier suchen musste, hielten mich aber davon ab, etwas Unanständiges zu unternehmen…


Endstation Schranke
Endstation Schranke
Mein Quartier in Ceresalo Reale
Mein Quartier in Ceresalo Reale

Blick auf die spektakuläre Streckenführung des Colle del Nivolet
Blick auf die spektakuläre Streckenführung des Colle del Nivolet
Ein frischer Morgen in den Bergen
Ein frischer Morgen in den Bergen

Tag 10 • In vertraute Gefilde

 

Ceresole Reale - Cuorgne - Autobahn Richtung Mailand/Como - Como - Erba - Bellagio - Lecco - Sondrio - Tirano - Bormio

 

Streckenlänge: ca. 405 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

 

Am nächsten Morgen war's ziemlich frisch auf über 2.000 Metern, und da der Blick in den bedeckten Himmel kaum bessere Bilder als am Abend davor versprach, beschloss ich eine zweite Fahrt auf den Nivolet sein zu lassen und mich stattdessen gleich auf den Weg in Richtung Lago di Como zu machen. Dazu nahm ich auch erstmals auf dieser Reise ein Stück Autobahn, da sich die wenig spannende Strecke vorbei an Mailand andernfalls wie ein Strudelteig in die Länge gezogen hätte. Wie schon tags davor "arbeitete" ich unterwegs am Schalten ohne Kupplung, die ich an diesem Tag tatsächlich nur noch zum Anfahren bzw. Anhalten benötigte.

Am Ufer des Lago di Como
Am Ufer des Lago di Como

Ab Como wurde es dann wieder interessanter, taten sich immer wieder schöne Ausblicke auf den idyllischen See auf, an dem auch ein gewisser George Clooney sein bescheidenes Anwesen besitzt. Hier hätte es sich bestimmt recht nett nächtigen und wohl auch noch das eine oder andere feine Sträßchen mehr im Hinterland finden lassen, mich zog es aber doch schon wieder in die Berge hinauf. In Bormio – im Gegensatz zu den vorangegangenen Zielen dieser Reise, die ja zum Großteil Neuland für mich gewesen sind – durch vergangene Touren längst vertraut, fand ich auch ein wirklich feines, empfehlenswertes Quartier. Und gerade, als ich mich am Abend über einen randvollen Teller Spagetti hermachte, läutete das Handy: Papa Max! "Du Bua, wennst in Bormio bist, musst unbedingt bei Pradelle rechts den Torri di Fraele rauffahren. Die Kurvn auffi werdn dir sicher g'fallen und oben führt dann a nettes Schotterstraßerl rund um drei Seen…" So ist er.

Meine Albergo San Lorenzo in Bormio…
Meine Albergo San Lorenzo in Bormio…
…und der Blick vom Balkon derselbigen.
…und der Blick vom Balkon derselbigen.

So gefällt mir der Blick aufs Navi…
So gefällt mir der Blick aufs Navi…

Tag 11 • Das große Kurvenmenü

mit einem doppelten Stelvio…

 

Bormio - Pradelle - Torri di Fraele - Lago di Cancano - Lago di San Giacomo - Passo del Foscagno - Livigno - Lago di Livigno - Munt la Schera Tunnel - Ofenpass - Santa Maria Val Mustair - Umbrailpass (bis zur Absperrung zu Beginn des nicht asphaltierten Abschnitts) - Santa Maria Val Mustair - Glurns - Stilfser Joch - Glurns - Stilfser Joch - Glurns 

 

Streckenlänge: ca. 300 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

 

…und so sieht das in Natura aus: Torri di Fraele
…und so sieht das in Natura aus: Torri di Fraele

Vor der Wahl, meinen Freund Gigl zu Mittag am Innsbrucker Bahnhof abzuholen und ihn sowie Peter und Christian zu unserem im Voraus gebuchten Quartier in Glurns am Fuße des Stilfser Jochs zu begleiten oder – wo ich ja schon fast vor Ort war – doch lieber das Kurvenparadies im italienisch-schweizerischen Grenzgebiet bis zu deren Eintreffen auszukosten, entschied ich Egoist mich für zweiteres…

Ursprünglich hatte ich nach dem Frühstück ja die geschotterte Auffahrt ins Skigebiet Bormio 2000 geplant gehabt, so aber wurde es eben der Torri di Fraele. Kehre um Kehre (17 an der Zahl) schlängelt sich die schmale Straße hinauf bis zu zwei kurzen in den Fels gehauenen Tunneln, hinter denen zwei Türme emporragen, die dem Pass auch ihren Namen verliehen und die am oberen Teil der Strecke schon immer wieder mal zu sehen sind.

Danach führt eine gut gepflegte Schotterstraße, die auch für reine Straßenmotorräder kein Problem darstellt, rund um die Stauseen Lago di Cancano und Lago di San Giacomo. Herrliche Bergpanoramen und der Reiz, immer wieder mal einen anderen Schotterweg zu nehmen, bis ich irgendwo anstand (sind am Streckenlink nicht ver-merkt, da nicht ge-merkt ;-) ), veranlassten mich, recht lange dort oben durch die Landschaft zu "wandern" – danke, Max!


Umbrail: Hier gab's kein Vorbeikommen
Umbrail: Hier gab's kein Vorbeikommen

Anschließend ging's wieder flotter weiter über den Foscagno, Livigno, den mautpflichtigen Munt-La-Scher-Tunnel und den Ofenpass in Richtung Umbrail, über den ich von der Schweizer Seite zum Stilfser Joch hochfahren wollte. Auf halbem Weg war jedoch Schluss, die Straße wegen Bauarbeiten gesperrt – da gab's auch mit gutem Willen kein Vorbeikommen. Ich befürchte, dass ich im September 2012 zum letzten Mal den Umbrailpass mit Schotterpassage gefahren bin, durchgehend asphaltiert wird der wohl auch für die Supersportler-Fraktion interessanter – vor allem, wenn die Stilfser-Maut wirklich Realität werden sollte. Bei der Einkehr im Gasthof an der Nordrampe lernte ich zwei brasilianische Motorradreisende (Paulo und Paulo, Vater und Sohn) kennen, die ich dann später unterwegs zum Stelvio noch ein zweites Mal traf.

Paulo und Paulo aus Brasilien
Paulo und Paulo aus Brasilien
G'schmackig: Eine Wurst am Stelvio
G'schmackig: Eine Wurst am Stelvio

Vorm Tibet oberhalb des Stilfser Jochs
Vorm Tibet oberhalb des Stilfser Jochs

In Glurns bezog ich schon einmal mein Zimmer, und weil die Kollegen noch nicht eingetroffen waren, genehmigte ich mir dann aber noch eine Wurst am Stilfser Joch. Die Kurvenorgie dort rauf ist immer wieder etwas Besonderes und unter der Woche im September kommt man sogar zum Fahren. Weshalb ich – wieder zurück im Quartier und immer noch allein – kurzerhand beschloss, noch ein zweites Mal hinaufzufahren, diesmal auf einen raschen Tee im Tibet, von wo man einen schönen Blick hinunter auf die Passhöhe und die atemberaubende Streckenführung genießt. So ein doppelter Stelvio zum Abschluss eines feinen Tages hat schon was! Und wurde nachher noch mit einem wunderbaren Vier-Gänge-Menü und langen Benzingesprächen abgerundet. QPeter kannte ich ja schon von Friaul und Hammelburg, aber auch Christian passte hervorragend in die Runde, wenngleich mich der Gigl vorwarnte, dass es sich bei ihm um einen Lang-Frühstücker handle, dem es am Morgen Dampf zu machen gilt, damit wir beizeiten am Bock sitzen…

Immer wieder imposant: Der Passo di Stelvio
Immer wieder imposant: Der Passo di Stelvio

Tag 12 • Über Schweizer Berge und

Liechtensteiner Täler ins Ländle

 

Glurns - Stilfser Joch - Bormio (zum Tanken) - Torri di Fraele - Passo di Foscagno - Livigno - Forcola di Livigno - Bernina Pass - Albula Pass - Davos - Vaduz - Altstätten - Widnau - Lustenau

 

Streckenlänge: ca. 330 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

Passo di Stelvio diesmal von unten - mit den "alten Heizern" Christian & Gigl
Passo di Stelvio diesmal von unten - mit den "alten Heizern" Christian & Gigl
Peter fuhr dann leider doch nicht mit
Peter fuhr dann leider doch nicht mit

Die Wettervorhersage war schlecht, prophezeite Schnee und Regen – weshalb es Peter leider vorzog, sich schon nach dem Frühstück (von dem wir sogar Christian halbwegs im Plan "loseisen" konnten) von uns zu verabschieden. Schade, denn wie so oft irrten die Wetterfrösche und er kam um einen Traumtag mit jeder Menge Sonne im italienisch-schweizerischen Grenzgebiet, während er auf der Heimfahrt nach Bayern sehrwohl nass wurde. Aber das ist eine andere Geschichte. Unsere begann gleich wieder mit dem Stilfser Joch, gefolgt vom Torri di Fraele, an dem dieser kurze Film entstand.


Berggasthof mit Haubenlokal-Preisen
Berggasthof mit Haubenlokal-Preisen

Gigl hatte unsere Strecke bis zum Tagesziel Lustenau, wo ich am Abend einem beruflichen Termin nachkommen musste, mit jeder Menge Kurven geplant, über den Foscagno ging's weiter nach Livigno, beim Forcola di Livigno querten wir auf 2.315 m Seehöhe die Grenze in die Schweiz, wo Bernina- und Albulapass für Fahrspaß ohne Ende sorgten. Oben am Albula (übrigens ebenfalls auf exakt 2.315 m, scheint eine "Normhöhe" bei unseren peniblen Schweizer Freunden zu sein) kehrten wir dann ein – in Anbetracht der Preise, die sie dort so ausriefen, war ich freilich froh, nicht die gesamte Reise in dieser Ecke verbracht zu haben. Dafür sind die Straßen in der Schweiz top, was Christian kurzzeitig sämtliche Strafenregister vergessen ließ, um uns zu demonstrieren, was seine VFR800 in langgezogenen Kurven so drauf hat – alle Achtung, da waren Gigls Transi und mein Tiger so richtig gefordert! Kaum zu glauben, dass der Typ beim Frühstück derart brodeln kann…

Der letzte Teil der Fahrt durch Liechtenstein war dann weniger spannend bzw. recht langatmig, aber zumindest kamen wir trotz bedrohlich dunkler Wolken trocken in Lustenau an. Und rechtzeitig, um alle vier Tore, die "mein" medial betreutes Fußballteam bereits in der ersten Halbzeit kassierte, zu sehen. Aber auch das ist eine andere Geschichte.

Blick von der Kopsalpe
Blick von der Kopsalpe

Tag 13 • Heimat bist du stolzer Berge

 

Lustenau - Götzis - Furkajoch - Faschinajoch - Bludenz - Silvretta Hochalpenstraße - Kopsalpe - Ischgl - Landeck - Imst - Hahntennjoch - Namlosertal - Plansee - Achenkirch

 

Streckenlänge: ca. 390 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

Am Furkajoch auf 1.761 Meter
Am Furkajoch auf 1.761 Meter

Am Samstag war für ganz Österreich Regen angesagt, die Fahrbahn auch fast überall, wo wir hingekommen sind, feucht – von oben erwischte uns das Nass aber erst ganz zum Schluss. Gigl hatte wieder eine feine Route geplant, die mich am Ende einer beeindruckenden Reise daran erinnerte, dass sich auch unsere Berge daheim in Österreich keinesfalls verstecken müssen. Den Anfang machte das Furkajoch, dessen kurvige Westauffahrt auf trockener Straße zwar sicher noch spaßbringender gewesen wäre, das mit den beiden Heizern aber auch so absolut keine fade Angelegenheit gewesen ist.

Auf der Silvretta-Hochalpenstraße
Auf der Silvretta-Hochalpenstraße
Am Hahntennjoch auf 1.894 Meter
Am Hahntennjoch auf 1.894 Meter

Verkehrsschild-Rätsel
Verkehrsschild-Rätsel

So wie auch die Fahrt über die Silvretta Hochalpenstraße, für die 11 Euro Maut pro Motorrad zu berappen sind. Der Sinn des Verkehrsschildes links im Bild erschließt sich mir zwar nicht ganz, möglicherweise hatte aber Mimoto die richtige Erklärung parat, der da jüngst meinte, dass es die Höchstanzahl der Verkehrsteilnehmer anzeigt, die gleichzeitig den Berg hinauf dürfen ;-)…

…wie auch immer. Nach der Silvretta ging's auf die Kopsalpe, wo am gleichnamigen Stausee wunderbare Bergpanoramen aufs Auge bzw. das Kameraobjektiv warten. Bei Kappl bog Gigl dann plötzlich von der Hauptroute ab und lotste uns auf kleine und kleinste Gebirgstraßerl hoch hinauf über dem Paznauntal, um jene Stelle zu finden, an dem er zwei Jahre davor jenes Foto vom Michl gemacht hatte, wo dieser wie ein Adler zum Abflug bereit seine Schwingen über dem Abgrund ausbreitet. Hier gedachten wir unserem verstorbenen Freund, der nicht nur über viele Jahrzehnte Gigls bester "Haberer" gewesen war, sondern mit dem auch Christian und ich immer wieder gerne gefahren sind und jede Menge Spaß gehabt haben.

Am Hahntennjoch auf knapp 1.900 Meter lag schon Schnee neben der Fahrbahn, die anschließende Fahrt durchs Namloser Tal – ein Seitental des Lechtals, das ich noch nicht gekannt hatte und das sich sehrwohl einen guten Namen unter Motorradfahrern verdient – war ein Highlight des Tages und jeden Kilometer wert. Und spätestens als wir dann auf der Fernpassstraße Richtung Reute in einen Stau gelangten, wurde mir vor Augen geführt, dass wir wieder "daheim" waren: Während etwa in Fankreich fast jeder Autofahrer wie selbstverständlich zur Seite fährt, um Einspurige überholen zu lassen, machen hierzulande leider viele genau das Gegenteil. Unser Deutscher "Freund", der mir beim Versuch zwischen den stehenden Autos durchzufahren, aggressiv "zumachte", ärgerte sich freilich doppelt, weil er zum selben Zeitpunkt dann eben rechts vom Gigl überholt wurde – und als er (natürlich zu spät) in dessen Richtung auschwenkte, war auch in an der anderen Seite vorbei…

Solche oder ähnliche Szenen kennt wohl jeder und trugen in diesem Fall ein wenig zur Anhebung der Laune bei, die durch den nun langsam doch einsetzenden Regen ohnehin ein wenig getrübt war. Wir trafen, um der Wahrheit die Ehre zu geben, aber auch einen wirklich netten Bayern, der uns bei der kleinen, aber feinen Mautstraße an der Isar nur den halben Preis verrechnete, ehe uns allmählich bewusst wurde, dass Gigls Tagesplan, der noch Zillertaler Höhenstraße und Gerlos vorgesehen hätte, doch zu sportlich anberaumt war. Also suchten und fanden wir Quartier in Achenkirch unweit vom Achensee in Tirol.

Morgens am Achensee
Morgens am Achensee

Tag 14 • Heimwärts auf getrennten Wegen

 

Achenkirch - Achensee - Jenbach - Wörgl - St. Johann/Tirol - Lofer - Bad Reichenhall - Salzburg - Fuschler See - St. Gilgen/Wolfgangsee - Mondsee - Attersee - Traunsee - Gmunden - Pettenbach - Steyr - Amstetten - A1 - Wien

 

Streckenlänge: ca. 450 Kilometer,

Gigl & Christian ca. 570 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

Variante 2 (Gigl & Christian ab St. Gilgen)

 

Auch der Sonntag blieb trocken, obwohl es dauerte, bis sich die morgendlichen Wolken verzogen. Vorbei am Achensee gings Richtung Jenbach und übers "kleine Deutsche Eck" bzw. St. Johann und Lofer recht flott nach Bad Reichenhall, dann führte uns mein Navi mitten durch die Salzburger Innenstadt, was aber bei fast null Verkehr kein Problem war. In St. Gilgen legten wir noch einen Mittagsstopp mit Blick auf den Wolfgangsee ein, ehe sich unsere Wege trennten: Gigl & Christian, die ja erst ein paar Tage unterwegs waren, wollten die Tour noch so richtig bis zum Abend auskosten und sind durchs Salzkammergut (Bad Ischl) über den Pötschenpass an der Tauplitz vorbei bis Aigen ins Ennstal gefahren. Dann weiter Michls Route über kleine Almstraßen durch Vorberg und Oppenberg bis Rottenmann, Trieben, Admont, Gesäuse, Wildalpen, Niederalpl und Preiner Gescheid, ehe sie bei  Gloggnitz dann auf die Autobahn fuhren – alles wunderbare Motorradstrecken, auf denen ich mich auch regelmäßig herumtreibe. Diesmal trieb mich jedoch das Heimweh auf fast direktem Wege nach Hause, freilich auch nicht ohne meiner Seenrunde, die ich immer wieder gerne fahre, wenn ich in der Gegend bin: Vom Wolfgangsee ging's also rüber zum Mondsee, dort am Ufer entlang in Richtung Attersee, übers Krahbergtaferl (Großalm) nach Altmünster am Traunsee und schließlich dann bei Amstetten übers Bandl bis Wien.

Am Wolfgangsee trennten sich unser Wege,
Am Wolfgangsee trennten sich unser Wege,
der meinige führte mich am Traunsee vorbei
der meinige führte mich am Traunsee vorbei

Fazit:

 

Vielfältiger kann eine Motorradreise eigentlich kaum ausfallen, in 14 Tagen war fast alles dabei: Von Schotterstraßen in allen Variationen über traumhaft asphaltierte Pässe, vom Fahren in kleinen aber feinen Gruppen bis zu Solo-Tagen (die ich auch immer wieder genieße), vom Abend allein mit einem Buch und ohne Internet im Bergdorf auf 2000 Metern bis zum geselligen Treffen mit über 20 Leuten aus dem Reiseforum bzw. deren Bekannten samt mehrgängigem Menü und anschließenden Benzingesprächen bis zu später Stunde im noblen Golfhotel. Wenn mir etwas abgegangen ist, dann die beste Sozia wo gibt auf der einen oder anderen Strecke (etwa über den Nivolet oder am Lago di Como), deren Eindrücke "geteilt" vielleicht sogar noch schöner gewesen wären. Zu zweit auf dem Motorrad hätten an der anderen Hand aber jene Passagen, in denen der Teer unter den Stoppelrädern fehlte, beiden wenig Spaß bereitet. Und der Schotter stand diesmal eben im Vordergrund.

Dies alles noch mitten im Herzen Europas zu finden ist wunderbar und ein guter Grund, schon bald Mal wieder im Piemont und Ligurien meine Kreise zu ziehen.