Honda Africa Twin Adventure Sports • Modelljahr 2018

Die "Echte"? Auf jeden Fall eine richtig Gute!

Wohin soll die Reise gehen? Mit der neuen Honda Africa Twin Adventure Sports denkt man darüber nicht lange nach – sondern fährt einfach los! Zwei Jahre nach der mit Spannung erwarteten Neuauflage der "Legende Africa Twin" legte Honda für die Saison 2018 nach und stellte dem Bestseller eine "große Schwester" zur Seite, die die Gene des Urahnen noch sichtbarer in sich trägt: Größerer Tank, hoher Windschild, Sturzbügel, solider Motorschutz, größere Federwege bzw. Bodenfreiheit.

Für viele ist die Adventure Sports so ausgestattet die "echte" Africa Twin. Die zum 30-jährigen Jubiläum als Reminiszenz an die "Ur-Africa-Twin" ausschließlich in der klassischen, stark an die RD03 von 1988 angelehnten Tri-Colore-Sonderlackierung angeboten wird. Freilich vollgestopft mit all den technischen Features, die eine moderne Reiseenduro im Jahr 2018 anzubieten hat. Von Dank nun elektronischem Gasgriff verschiedenen Fahrmodi über eine siebenstufige Traktionskontrolle, (am Hinterrad abschaltbares) ABS, selbst rückstellende Blinker, Heizgriffe, LED-Lichtern bis hin zum (als Option) wunderbar funktionierenden Doppelkupplungsgetriebe DCT, das die Honda nach wie vor als Alleinstellungsmerkmal anbieten kann.

30 Bilder zum Generationen-Treffen: Zwischen diesen beiden Africa-Twin-Modellen liegen nicht weniger als 30 Jahre  (Danke Tom – zum Vergrößern anklicken):

Ich bin Anfang April 2018 zwei Wochen oder rund 2.000 Kilometer lang mit der DCT unterwegs gewesen – am Weg zur Arbeit, auf kurvigen Landstraßen, holprigen Bergstraßen, Schotter- und Offroadpassagen sowie Autobahnen. Ein breiter Querschnitt, der mir anschaulich zeigte, dass sich die fesche Reiseenduro praktisch überall wohl fühlt. Durch das Throttle-by-Wire kann Honda für die Africa Twin jetzt auch verschiedene Fahrmodi anbieten, in denen die Leistung (P für Power), die Intensität der Motorbremse (EB für Engine Break) sowie der Traktionskontrolle (T) voreingestellt sind.  Einzig im "Tour"-Modus (P1, EB2, T6) stehen die vollen 95 PS zur Verfügung, den "Urban"-Modus (P2, EB2, T6) habe ich eigentlich nie verwendet, da ich finde, dass man die Leistung dieses Motorrads auf Asphalt nicht beschneiden muss.

 Im "Gravel"-Modus (P3, EB3, T6) dagegen passt die reduzierte Leistung und stärkere Motorbremse, die ebenfalls auf Stufe 6 voreingestellte Traktionskontrolle HSTC (Honda Selectable Traction Control) würde ich jedoch auf Schotter bzw. unbefestigten Wegen unbedingt auf Stufe 1 reduzieren. Was aber ohnehin auch während der Fahrt mit nur einem Finger der linken Hand am dafür vorgesehenen Wipp-Schalter einfach zu erledigen ist. Mein persönlicher Favorit war jedoch der frei konfigurierbare "User"-Modus, der sich als einziger die gewählten Einstellungen merkt – alle anderen Modi stellen sich, auch wenn man z.B. die Stufe der Traktionskontrolle korrigiert hat, nach Abschalten der Zündung wieder auf Standart (Stufe 6) zurück…

In der Praxis ließ ich meine favorisierten User-Einstellung (P1, EB2, T1) auch am Schotter unverändert, die 95 PS sind dort durchaus gut zu handeln – zumal die Ergometrie speziell beim stehend fahren wunderbar ist und man es ja auch mal am Feldweg fliegen lassen will.

Zusätzlich zum Gravel-Modus gibt es fürs DCT-Modell noch einen Gravel-Knopf rechts neben dem TFT-Display, nach dessen Aktivierung sich das Ansprechverhalten auf losem Untergrund verbessert und das System auch Bergab- bzw. Bergauffahrten "erkennt". Funktioniert richtig gut, vor allem im Zusammenspiel mit am Hinterrad deaktiviertem ABS.

Apropos TFT-Display. Das kommt bei der Africa Twin weiter "farblos" (also zweifärbig), ist jedoch gut ablesbar und lässt sich mit einer Hand an der "Schaltzentrale" am linken Lenker einfach und intuitiv bedienen. Am rechten Lenker kann man wählen, wie das DCT die Gänge wechselt, im Drive-Modus wird recht früh geschalten, für meinen Geschmack zu früh, inklusive der Sport-Modi 1, 2 und 3 sollte aber jeder den für seinen Fahrstil passenden "Schalt-Assistenten" finden. Bei mir was das Sport 2, auch auf unbefestigten Wegen.

Die unbefestigten Wege oder schlechte, rumpeligen Straßen sind es auch, auf denen das auf Komfort getrimmte Fahrwerk der Adventure Sports seine Trümpfe ausspielt. Mit 252 Millimeter hat man vorne 22 mm mehr Federweg als bei der Standard-Africa-Twin, hinten (240 mm) sind es immer noch 20 mehr. Auch die Bodenfreiheit (270 mm) hat um zwei Zentimeter zugelegt – und falls es beim Geländeritt wirklich einmal Bodenkontakt geben sollte, schützt ein voluminöser, solide wirkender Motorschutz das Schützenswerte. Das Fahrwerk ist hinten (in der Federvorspannung mit einem gut zugänglichen Handrad) wie vorne voll einstellbar und macht auf unterschiedlichstem Terrain einen richtig guten Job, bügelt Unebenheiten und auch Schlaglöcher weg wie nix, einzig für die wirklich engagierte Kurvenhatz auf der Straße könnte es härter sein – um dies als störend zu empfinden muss man freilich schon kräftig am Gashahn drehen oder unmittelbar von der Standard-AT umsteigen. So harmonisch wie das ganze Motorrad arbeiten auch die Bremsen (vorne zwei 310mm Scheiben von Nissin, hinten eine 256mm), die die vollgetankt immerhin 253 kg schwere Fuhre (ohne DCT 243 kg) gut, aber nicht zu giftig verzögern. Eben genau so, wie man das auf Reisen will und speziell Offroad schätzen wird.

Stichwort Reise. Dafür ist die Africa Twin gemacht und dank des 24,2-Liter-Tanks sind auch wirklich ordentliche Etappen möglich. Bei zurückhaltender Fahrweise wohl auch die von Honda angegebenen +500km pro Tankfüllung, bei meinem Testverbrauch von 5,4 Liter auf 100 km waren es immer noch respektable 450 Kilometer von einem Tankstopp zum nächsten. Das sind gut 100 Kilometer mehr als mit der "normalen" und sollte selbst in den entlegensten Gebieten für ein stressfreies Vorankommen reichen.

Wer so weit am Stück fahren will, mag freilich auch gut und bequem sitzen, was auf der Adventure Sports kein Problem ist, ganz im Gegenteil! Wobei die 920mm hohe Sitzbank erst einmal erklommen werden will, Fahrer unter 1,80 m Körpergröße schon ein gewisses Maß an Routine mitbringen sollten, um damit umzugehen. Wobei sich die Bank auch um zwei Zentimeter niedriger einstellen lässt, was sich in der Praxis allerdings als eine etwas umständliche Fummelei erwies, weil die Bank unter Spannung in eine andere Führung gezwängt werden will. Das hätte man eleganter lösen können, auch wenn es sich, wie man mir bei Honda versicherte, mit der Zeit bessert. Beim Fahren ist das hohe Thronen aber richtig angenehm, speziell auch abseits befestiger Wege, der Kniewinkel stets entspannt. Und im Zubehör findet man auch zwei niedrigere Sitzbänke, mit denen sich die Sitzhöhe bis auf das Niveau der Standard-AT absenken lässt, weshalb jedermann die Adventure Sports auf seine persönlichen Bedürfnisse abstimmen kann.

Ein Genuss ist auch das Treibwerk der CRF1000L, das in Standard- bzw. Adventure Sports dasselbe ist. Wenn ich jetzt behaupten würde, der 95 PS starke Twin, dessen maximales Drehmoment von 98 Newtonmetern bei 6.000 Umdrehungen liegt, würde das Motorrad brachial nach vorne preschen lassen, ist das in Zeiten, wo manch Reiseenduro 150 oder 160 PS ans Hinterrad bringt, natürlich übertrieben. "Sanft" ist aber definitiv auch die falsche Bezeichnung für den Reihen-Zweizylinder, der mich souverän und kraftvoll in meiner Meinung bestärkt, dass eine Reiseenduro nicht wirklich mehr als 100 PS haben muss. Auch der satte Sound der Honda trägt zum Wohlbefinden im Sattel bei…

Als Serienbereifung hatte das von mir ausgefasste Pressemotorrad den Trailmax D610 aufgezogen. Ein Reifen, der auf der Straße gut funktioniert und auch auf trockenem Schotter absolut in Ordnung ist. Aber eben doch ein "Straßen-Enduroreifen", der bei Nässe abseits befestiger Wege rasch an seinen Grenzen angelangt ist. Wahrscheinlich will das die Mehrzahl der potentiellen Käufer so. Ich persönlich hätte es lieber gesehen, wenn Honda das tolle Konzept dieses Motorrads jedoch auch in der Wahl der Serienbereifung konsequent durchgezogen hätte und dem trotz seines Gewichtes so Offroad-affinen Gefährt einen entsprechenden Grobstoller vom Stile eines Anakee Wild bzw. TKC80 oder zumindest einen "Kompromiss-Reifen" a la TKC70 oder K60 Scout verpasst hätte.

Das sind aber (subjektive) Details, die jeder sowieso für sich ändern wird und mit etwas Verhandlungsgeschick dem Händler gegenüber schon beim Kauf den eigenen Bedürfnissen anpasst  – wichtiger ist die Wahl der Rad-Dimension und da hat sich Honda bei der Africa Twin sowieso für enduromäßige 21- bzw. 18-Zoll entschieden.

 

"Der Wolf sprach ja davon, dass ihm das Fahrwerk auf der Straße etwas zu weich wäre – mein Gott, dann soll er halt am Schotter fahren, wenn ich nicht dabei bin. Ich habe mich jedenfalls noch selten so wohl auf einem Motorrad hinten drauf gefühlt. Die Federung ist spitze, der Kniewinkel richtig angenehm, das Sitzpolster bequem. Dazu kommt noch, dass man auf dieser Africa Twin Adventure Sports am Sozius-Sitz richtig viel Platz hat – keine Frage: Das ergibt fünf Wölfe. Und wehe der eine Wolf dreht an den Einstellungen…"  

Legende


+ Die Optik ist Hammer – eines der schönsten Motorräder am Markt

+ Das Handling ist vorbildlich, sowohl auf dem sehr hohen Sitz, als auch beim stehend fahren

+ Komfortables Fahrwerk schluckt alles, was an Unebenheiten wartet

– Die Tatsache, dass ich sie wieder zurückbringen musste…

– Die Serienbereifung ist für meinen Geschmack zu straßenorientiert, wird dem tollen Konzept nicht ganz gerecht

– Die Sitzbank in die niedrige Position zu verstellen ist eine echte Fummelei



Fazit:

Ist die Adventure Sports nun wirklich die "echte" Africa Twin? Dies zu behaupten würde in meinen Augen der vor zwei Jahren erschienenen Neuauflage der Legende, an der ich als Reiseenduro ebenfalls sehr wenig auszusetzen hatte, unrecht tun. Auf alle Fälle aber ist sie eine richtig gute Africa Twin geworden! Komfortabel, perfekt für das Fahren zu zweit, wie meine bzw. die beste Sozia wo gibt bestätigt, serienmäßig ausgestattet mit jeder Menge sinnvoller Extras für die Reise, egal wie weit diese auch gehen mag. Ein Tempomat hätte dem Konzept noch gut zu Gesicht stehen können, insgesamt aber bekommt man für in Österreich € 18.190,-- (DCT) bzw. € 16.890,-- ein ausgewogenes Motorrad, das sich so fährt, wie es in der Jubiläums-Lackierung aussieht: Richtig gut!

Welche nun die "bessere" Africa Twin ist, wird jeder für sich selbst beantworten bzw. herausfinden müssen, ich werde noch im Mai die nach zwei Saisonen ebenfalls mit dem elektronischen Gasgriff und anderen Features aufgewertete Standard-Variante ausgiebig fahren und dann hier noch ein Video aus meiner Sicht der Dinge posten.

© 04/2018