Viel mehr als nur gerade Strecken durch die Ebene

Drei Tage mit der CCM GP450 Adventure am TET Ungarn

Drei Tage frei im September 2021 – und ausnahmsweise gerade kein Testmotorrad zur Hand. Da schnappte ich mir meine CCM GP450, die in den Wochen und Monaten davor ohnehin viel zu kurz gekommen war, und machte mich auf den Weg Richtung Ungarn. Ein Land, das Motorradfahrer (nicht ganz zu Unrecht) kaum auf dem Schirm haben, das aber zumindest uns Schotter-Liebhabern jede Menge (legale) Wege bietet. Als gebürtiger Burgenländer kenne ich natürlich viele davon und treibe mich seit Jahren regelmäßig in der "Puszta" rum, den TET Ungarn war ich aber bis dato noch nicht angegangen. Wobei ich feststellen sollte, dass mir der eine oder andere Abschnitt nicht unbekannt gewesen ist und manche Passagen vielmehr schon länger zu meinen "erweiterten Hausstrecken" gehören…

Tag 1 • Start mit Hindernissen

Wobei der Start alles andere als verheißungsvoll verlief. Nach den Kurven des Leithagebirges sowie dem einen oder anderen Schotterstraßerl auf dem Weg in den Seewinkel bemerkte ich plötzlich, dass der Vorderreifen Luft verlor. Rasch war klar, dass die Sache war nicht einfach mit Nachfüllen an der Tankstelle zu erledigen ist. Das Problem: Ich hatte zwar jede Menge Kameras und auch die Drohne im Gepäck – aber kein Reifenflickzeug! Dafür aber das Glück, unmittelbar vor der Haustür von Roman im burgenländischen Pama stehen geblieben zu sein, der mir kurzerhand seine Hilfe anbot. Der Flugzeugmechaniker ließ es sich nicht nehmen, das Vorderrad kurzerhand auszubauen und mich ins etwa 5 Kilometer entfernte Kittsee zu fahren, wo mir die nicht minder freundlichen Jungs vom KFZ- und Reifenservice Hajdu in der Mittagspause (!) den Gummi flickten. Entstanden war der "Patschn" offenbar durch Korrosion an der Felge, vermutlich durch das Salz auf der Straße von meinen Winterfahrten. Roman wollte auch unter meinen Protesten keinesfalls irgendetwas von mir annehmen und lud mich stattdessen noch auf ein kühles Getränk in seiner Gartenhütte ein – eine Hilfsbereitschaft bzw. Gastfreundschaft, wie ich sie bislang eher im Ausland erfuhr, etwa in Rumänien bei der Karpatentour zusammen mit Karim, die in unseren Breiten aber immer seltener anzutreffen ist: DANKE!

Durch diesen ungeplanten Zwischenfall war es schon Mittag vorbei, als ich bei Deutsch Jahrndorf die Grenze passierte. Der TET Ungarn besteht aus mehreren Sektionen, die Section 4 führt von eben dort runter nach Budapest. Und bietet dabei durchaus eine für viele wohl überraschende Vielfalt unterschiedlicher Landschafts-Szenarien. Zum einen jene oft Kilometer lang geraden Schotterstraßen, die man im flachen Ungarn am ehesten erwartet, zum anderen aber auch eine üppige Vegetation in den Donauauen, mit Wäldern und Wiesen satt. Sowie Strecken, die mit der Enduro richtig Spaß machen und man unter der Woche fast für sich alleine hat.

Wenn ihr das Trans-Euro-Trail-(TET)-Projekt noch nicht kennen solltet, das es sich nach Vorbild des Trans America Trail zum ehrgeizigen Ziel gemacht hat, ganz Europa auf größtenteils unbefestigten Wegen zu durchkreuzen, so findet ihr es hier (mit sämtlichen Strecken, natürlich auch jenen in Ungarn, zum Download): KLICK


Fahrerisch nicht sonderlich anspruchsvoll und mit etwas Offroad-Erfahrung auch mit schwereren Reiseenduros locker zu bewältigen – zumindest so lange es nicht zuviel geregnet hat. Denn die Wege entlang der Donauarme neigen dazu, rasch auch mal unter Wasser zu stehen bzw. die Fahrbahn kann auch richtig tief und matschig werden. Bei meiner Tour war sie okay und nur einmal "verweigerte" ich vor einer Wasserdurchfahrt, nachdem die "Stiefel-Probe" ergab, dass mir das Wasser von oben in die Socken geronnen ist. Was ich den Rest des Tages mit nassen Füßen bezahlte, entpuppten sich die wasserdichten Touratech Destino Touring doch auch von innen "undurchdringlich"...

Allein bin ich meistens defensiver unterwegs und habe die Passage dann umfahren.

Alles in allem war es ein wunderbarer Fahrtag, ehe ich mit dem Hotel Weldi in Györ ein nettes Hotel fand, das von einem Österreicher geführt wird, der schon seit 20 Jahren in Ungarn lebt. Für 58 Euro mit einem üppigen Frühstück, die CCM nächtigte hinter dem Haus im abgesperrten Garten. Dazu bereitete mir der Hausherr auch ein feines, reichliches Abendessen. Übrigens: Die Geschehnisse des Tages zeigten mir einmal mehr, dass es richtig ist, so gut wie nie ein Quartier im Voraus zu buchen. Denn ohne den platten Vorderreifen auf der Anreise wäre Györ natürlich viel zu nahe gewesen – und mit einer gebuchten Unterkunft z.B. im Raum Budapest oder auch am Plattensee hätte ich am frühen Abend noch ordentlich Strecke auf Asphalt machen müssen. 

Übrigens: Dieses Shirt gibt es im Bike on Tour Shop zu kaufen – womit du auch meinen Webaufftritt unterstützt…
Übrigens: Dieses Shirt gibt es im Bike on Tour Shop zu kaufen – womit du auch meinen Webaufftritt unterstützt…

Tag 2 • Einfach nur Fahrspaß

Südlich von Györ wurden die Strecken dann meist ein wenig sandiger, was dem Fahrspaß mit der CCM GP450 keinerlei Abbruch tat – ganz im Gegenteil. Im Großen und Ganzen blieb es ein abwechslungsreicher  Mix aus langen Geradeaus-Passagen durch die Ebene und interessanten Abschnitten durch die Wälder entlang der Donau.

Etwas früher als geplant verließ ich die Section 4 des TET Ungarn und schnitt das letzte Stück, bevor die Section 5 in diese mündet, ab, weil ich dringend eine Tankstelle benötigte. Bald war ich dann aber auch auf diesem Track, der nördlich des Plattensees in Richtung Westen bis zur Grenze nach Heiligenkreuz im südlichen Burgenland führt. Insgesamt empfand ich den Sektor 5 etwas einfacher zu fahren, was sich auf Strecken wie diesen jedoch rasch ändern kann, wenn es mal stärker regnet. Gefahren bin ich etwa bis Höhe Veszprem, wo ich dann runter zum Balaton abbog, um mir eine Bleibe für die Nacht zu suchen. Die fand ich in Balatonmaldi mit der Villa Millenium, ein schönes, für ungarische Verhältnisse aber nicht billiges Haus. 72 Euro zahlte ich für die Nacht, fürs Frühstück waren noch einmal 8 Euro zu berappen. Die waren es aber wert, allein schon wegen dem Ambiente im Garten des herrschaftlichen Anwesens. Ein durchaus empfehlenswertes Haus, auch der Fogosch (Zander) im Ort mundete ausgezeichnet.

Tag 3 • Auf altbekannten Wegen

Nach einem ausgiebigen Frühstück machte ich dann noch einen raschen Abstecher ans Ufer des mit 79 Kilometer Länge und im Mittel knapp 8 Kilometer Breite größten Binnensees Mitteleuropas (Badehose hatte ich leider keine im Gepäck), ehe es dann notgedrungen wieder in Richtung Heimat ging. Diesmal auf jene Art, wie ich schon viele Jahre, und noch lange bevor es das TET-Projekt gab, im nahen Ungarn praktiziere: Ich gab ein Ziel ins Navi ein (diesmal Nagycenk, weil ich in Sopron über die Grenze und davor noch ein paar meiner ungarischen "Haus-Schotterstrecken" mitnehmen wollte), bog immer wieder auf unbefestigte Wege ab, die mir interessant erschienen und die mit keinem Fahrverbotsschild gekennzeichnet waren, und ließ den Helfer von Garmin (in diesem Fall das Montana 700i einfach neu rechnen). So kam ich auch auf altbekannte Wege, kreuzte zwischendurch auch wieder den TET (Section 5) und folgte ihm ein paar Kilometer, bog dann aber doch Richtung "Nagy" ab. 

Fazit:

Spontane Touren waren schon immer eine Leidenschaft von mir und diese zeigte mir einmal mehr, wie spannend solche ungeplanten "Abenteuer" sein können. Nebenbei konnte ich die Batterien im Wolf wieder einigermaßen aufladen und fasste den Entschluss, 2022 wieder mehr Reisen zu unternehmen, Corona hin oder her. Und auch der TET Ungarn, insbesondere jene Abschnitte weiter im Süden, die erfahrungsgemäß um einiges sandiger sind, steht weiter auf der Liste. Meine leichte CCM GP450 Adventure war wieder einmal ein idealer Begleiter auf solchen Wegen, wenngleich diese natürlich auch mit schwereren Reiseenduros zu fahren sind. Wer ein wenig Routine auf unbefestigtem Terrain mitbringt, der wird in den Donauauen oder der ungarischen Steppe definitiv seinen Spaß haben!