BMW G 650 GS Sertão • Modelljahr 2012

Die Dakar lebt weiter…

Als BMW die Einzylindermodelle der beliebten GS-Baureihe einstellte, ging ein Aufschrei durch die riesige Fangemeinde - 2011 wurde sie daher als "Einsteigermodell" wieder ins Programm genommen. Ein Jahr später reichten die Münchner nun die G 650 GS Sertão nach, die in die Fußstapfen der 650er Dakar treten soll, der sie auch gleich auf den ersten Blick zum Verwechseln ähnlich sieht. Ich hatte die Möglichkeit, das Motorrad ausgiebig zu fahren und möchte euch meine Eindrücke nicht vorenthalten. Wie sie so serienmäßig mit Heizgriffen, Handprotektoren, hohem Windschild, einem soliden Motorschutz aus Aluminium und Speichenrädern ausgestattet vor einem steht, vermittelt sie den Wunsch, sofort aufzusteigen, und loszufahren - am besten, weit, weit weg…

Die Sitzposition ist übersichtlich hoch, das 21-Zoll-Vorderrad verrät, dass sie sich auch abseits ausgetretener Pfade leichthändig bewegen lässt, kurz: Ein Motorrad für die Reise, das auch vollgetankt unter 200 kg wiegt und Etappen von über 300 Kilometern ohne Tankstopp ermöglicht. Denn der Eintopf erweist sich selbst bei beherzter Fahrweise mit nur knapp über 4 Litern Verbrauch auf 100 Kilometer als äußerst sparsam, will aber auf Drehzahl gehalten werden, um seine Leistungsentfaltung auszuspielen. Die ist mit 48 PS unspektakulär, aber ausreichend, um zügig von A nach B zu kommen.


Gewöhnungsbedürftig bzw. unbequem empfand ich den Kniewinkel, da müsste ich mir etwas einfallen lassen, sollte ich längere Strecken mit der Sertão unterwegs sein - größere Fahrer (ich messe ja nur 176 cm) werden hier wohl besser zur höheren Sitzbank aus dem Zubehörprogramm oder von Touratech greifen. Dafür ist sie mit ihren vorne wie hinten 210 mm Federweg und ausreichend Bodenfreiheit in ihrem Element, sobald der Fahrer in die Rasten steigt: Auf Schotterstraßen fährt ihr so rasch keiner davon. Schade nur, dass das Testbike mit dem Metzeler Tourance EXP ausgestattet war - an sich ja ein sehr guter Reiseenduro-Reifen, auf diesem Gefährt hätte ich mir jedoch lieber etwas grobstolligeres gewunschen. Die Kurven- bzw. Straßenlage ist freilich auch auf Asphalt sehr gut und einer Reiseenduro würdig, die Bremsen packen so ordentlich zu, wie man das von einer BMW erwartet – alles in allem also ein sehr alltagstaugliches Motorrad, das sich für den täglichen Weg durch den Großstadtdschungel genauso eignet, wie für die große Fahrt in einsame Gegenden.

Fazit: Mit der G 650 GS Sertão hat der Platzhirsch unter den Reiseenduro-Herstellern wieder einen interessanten Einzylinder im Sortiment, der gleichermaßen einfach zu fahren wie zu warten ist, der auf der Straße eine gute Figur macht, es aber vor allem liebt, wenn man ihn flott über Feld- und Schotterwege treibt. Und mit der Namensgebung nach der brasilianischen Savannenlandschaft Sertão wollen die Werbemacher von BMW ebenso Fernweh wecken, wie das schon Yamaha mit der Tenere tat, die ja eine Sandwüste in der südlichen Sahara ist. Auch wenn mir vieles an diesem Motorrad sehr gut gefällt, würde ich mir doch 20 PS mehr und/oder 30 kg weniger wünschen, um damit wirklich auf die Reise zu gehen. Beides ist machbar, da müssten die Bayern nur ein Stück über die Grenze schauen…

© 11/2012