Husqvarna 701 Enduro • Modelljahr 2016

Schwedenbome made in Austria

"Schatz, schlaf doch ruhig noch eine Runde, ich geh heute die Semmerln holen." Was ich der besten Sozia wo gibt verschwieg: Ich schlich mich in aller Herrgottsfrüh mit Helm und Husqvarna-Schlüssel aus der Wohnung, gibt's doch da eine ausgezeichnete Bäckerei am anderen Ende des Wienerwalds. Und die 701 Enduro macht – abgesehen davon, dass das Testmotorrad ohnehin keine Sozius-Rasten montiert hatte – einfach alleine viel mehr Spaß. Zwei Wochen lang hatte ich Anfang April 2016 die Neue aus dem Hause Husqvarna, die es fast baugleich auch als Supermoto-Variante gibt – und obwohl das rechte Handgelenk nach einem kleinen "Freizeitunfall" schmerzte bzw. der Arzt eine Fahrpause empfohlen hatte, konnte ich einfach nicht von ihr lassen.

Die 701er-Modelle sind die ersten Straßen-Motorräder, die Husqvarna unter KTM-Ägide auf den Markt brachte – es war ein logischer und guter Schritt, sich des kraftstrotzenden Einzylinders aus den 690er-Modellen der Orangenen zu bedienen. Herausgekommen ist in Form der Enduro ein nicht nur fesch anzusehendes, sondern vor allem ungemein ausgereiftes Motorrad, das an Vielseitigkeit schwer zu überbieten ist. Bei einer Sitzhöhe von 910mm thront man recht hoch auf der Husky, zumal sie doch weit weniger in die Federn geht, als eine Hard-Enduro, was wohl der Möglichkeit geschuldet ist, sie auch im Zwei-Personen-Betrieb einzusetzen. Als Option für kürzere Strecken sicher ein Argument, längere Etappen wären für den Sozius aber wohl eher eine Qual. Eh klar, ist ja auch ein Single, der da unter dem weißen Gitterrohr-Rahmen seinen Dienst versieht. Und wie er das tut! Ab drei-, viertausend Touren reißt die Husqvarna richtig an, aber selbst im unteren Drehzahlbereich besticht das 67 PS starke Aggregat durch eine Laufruhe, wie man sie von Einzylindern bis vor kurzem noch schwer für möglich gehalten hätte. Da scheppert nix, da lässt es sich auch langsam durch die Stadt cruisen, ohne dass sich gleich alle umdrehen.

Insgesamt empfand ich subjektiv die 701er einen Tick komfortabler bzw. weniger aggressiv abgestimmt als die 690er Enduro von KTM, deren Gene sie ja unübersehbar in sich trägt, was speziell abseits befestigter Wege kein Nachteil ist, sich doch auch Offroad-Einsteiger recht rasch wohl fühlen. Was freilich nicht heißen soll, dass dieses Motorrad nicht auch höllisch anreißt, die Bewegungen mit der rechten Hand werden dank Ride by Wire und Doppelzündung eins zu eins ans Hinterrad übertragen, sodass es eine Freude ist, wie einfach das Vorderrad immer wieder den Bodenkontakt verliert. Süchtig machend.

Apropos Vorderrad: Das kommt auf 21-Zoll genauso daher, wie es bei einer Enduro sein soll, um Unebenheiten jeglicher Art zu schlucken, hinten misst die Speichen-Felge 18 Zoll. Aufgezogen ist ab Werk der gute alte TKC80 von Conti, der recht gut mit der Husqvarna harmoniert und sowohl auf der Straße als auch abseits davon ein recht breit gefächertes Einsatz-Spektrum bietet. Natürlich stößt er im Matsch bzw. rauerem Gelände genauso schon mal an seine Grenzen, wie bei der Asphalt-Kurvenhatz im Supermoto-Modus, aber dafür lassen sich ja bei Bedarf in beide Richtungen ausreichend andere Gummis finden. Verzögert wird das Motorrad beim Griff in die Eisen ordentlich, wofür vorne eine 30-Zentimeter-, hinten eine 24-Zentimter-Scheibe von Brembo sorgen. Und zwar genau so, wie das auf einer Dual-Sport-Maschine sein soll: Gut, aber nicht gleich so giftig, um einem Offroad die Schweißperlen ins Gesicht zu treiben – richtig gelungen, wie ich finde. Übrigens: Die Supermoto hat vorne eine 32er-Scheibe verbaut, auf der die Zweikolben-Bremszange dann gleich noch ein Stück kräftiger zulangt.

Das ABS von Bosch arbeitet gut und kann bei Bedarf auch weggeschaltet werden, indem man drei Sekunden lang auf den ABS-Knopf drückt – dazu muss das Motorrad stehen. Als "Warnung" signalisiert dann die gelbe ABS-Leuchte durchgehend, dass kein Brems-Assistenzsystem arbeitet und bei jedem Neustart der Zündung ist es wieder aktiviert. Als (sinnvolles) Extra bietet Husqvarna einen Offroad-Dongle an, der einfach unter der Sitzbank angesteckt wird und mit dem sich das Hinterrad blockieren lässt, während man am Vorderrad weiterhin das ABS zur Verfügung hat. Diese Einstellung bleibt immer aktiviert, solange der Dongle angesteckt ist und wird durch Blinken der ABS-Leuchte angezeigt. Funktioniert hervorragend und würde meiner Meinung nach bei so einem Motorrad, mit dem man ja doch regelmäßig die befestigen Wege verlässt, unbedingt zur Serienausstattung "gehören". Ebenfalls unter dem Schmuckstück einer Sitzbank, die zwar kein Komfort-Wunder ist, aber auch auf längeren Etappen den Hintern nie überforderte, findet man die Einstellungsmöglichkeit für drei verschiedene Zündkurven-"Mappings" (Standard, Soft, Advanced) sowie eine "Bad-Fuel"-Einstellung, die für Fernreisende interessant ist. Ich war meistens mit dem Standard-Mapping unterwegs, was auch daran liegt, dass das Switchen doch recht mühsam ist, in Zeiten wie diesen ein Schalthebel am Lenker wünschenswert wäre.

Das Getriebe ist ebenso leichtgängig, wie der Kupplungshebel, die Gänge flutschen nur so rein, auch beim harten Anbremsen vor Kurven konnte ich kaum einmal ein "Stempeln" des Hinterrads registrieren. Mit zum Besten was man serienmäßig bei Dual-Sport-Motorrädern finden kann, zählen auch die voll einstellbaren Fahrwerks-Komponenten vom hauseigenen Spezialisten WP Performance Systems, die vorne wie hinten mit stolzen 275mm Federweg alles wegbügeln, was sich der Husky in den Weg stellt. Das macht auch schlechte Straßen zur wahren Freude, über meinen täglichen Weg zur Arbeit auf dem Kopfsteinpflaster der Wiener Höhenstraße konnten Federbein und Closed-Cartridge-Gabel nur müde lächeln…

Minimalistisch gibt sich das digitale Display, in dem Husqvarna wie bei den Hard-Enduros auf Features wie einen Drehzahlmesser, Gang- oder Benzinanzeige verzichtet. Ich bin das von meiner CCM her gewöhnt und daher fehlte mir auch nichts dergleichen, wenngleich die Lampe für die Tank-Reserve doch etwas sehr dezent leuchtet (etwa im Vergleich zum weit helleren bzw. manchmal etwas irritierenden ABS-Licht) und schon mal übersehen werden kann. Dafür kommt man mit der Reserve ja auch noch gute 50 Kilometer weit, bei einem Testverbrauch von ca. 4,5 Liter auf 100 Kilometer sind in Verbindung mit dem 13-Liter-Tank Reichweiten von 250 Kilometer und mehr pro Tankfüllung realistisch. Der Kunststofftank liegt schwerpunktgünstig unter der Sitzbank und wird von hinten befüllt, was mit Gepäck etwas umständlich sein bzw. den einen oder anderen Handgriff mehr bedeuten kann. Jedenfalls ist die Husqvarna, für die bald ab Werk ein Zusatztank angeboten wird, auch eine interessante Alternative für Reisen mit dem Fokus auf unbefestigten Wegen – Grenzen setzt (fast) nur das eigene Fahrkönnen.

"Hand aufs Herz - ich hatte wirklich keine Ahnung, dass die Husqvarna 701 Enduro fast baugleich mit der KTM 690 ist, als ich dem Wolf gesagt habe, dass mich die Gelb-Blaue eben genau an jene erinnert. Aber die können sie anstreichen soviel sie wollen, das Brettl von einer Sitzbank bleibt ein Brettl, bequem ist anders. Zum Glück sind wir nur ein kurzes Stück gefahren. Und das war quasi ein Missgeschick, da wir erst draufkamen, dass keine Sozius-Rasten montiert waren, als mich der Wolf vom Fitness-Studio abholte - ein gutes Bauchmuskel-Training. Einen Wolf gibt es trotzdem, schließlich kann man ja mitfahren…"


Fazit:

Ich habe schon als kleiner Junge Schwedenbomben made in Austria geliebt, jetzt gibt es solche nicht nur aus dem Hause Niemetz, sondern auch von Husqvarna, die das Kind im Wolf wecken bzw. richtig gut schmecken. Dafür hat man in Mattighofen kein neues Konzept erfinden müssen, sondern einfach den bewährten Parade-Einzylinder aus der 690er-Baureihe in ein zum Teil doch neu entwickeltes Motorrad verpflanzt. So wie ihre "Schwester" von KTM ist die 701 Enduro ein Bike für alle Fälle, lässt sich im Großstadt-Dschungel genauso gut bewegen, wie auf holprigen Pisten oder auch  kurvenreichen Land- bzw. Passstraßen. Ja selbst gelegentliche Autobahnetappen sind in Anbetracht der Stärke des Aggregats kein echtes Problem, obwohl das Motorrad dafür natürlich nicht gemacht ist. Überrascht war ich, wie unterschiedlich sich die Husky doch zur KTM fährt, ich könnte jetzt nicht auf Anhieb sagen, welche mir sympathischer ist – das müsste man vor einer etwaigen Kaufentscheidung wohl noch einmal zeitnah hintereinander abchecken. Was beiden Modellen gemein ist: Man könnte zusätzlich einen Satz Supermoto-Räder in der Garage lagern und hätte damit quasi gleich ein zweites Motorrad…

© 04/2016