Sony HDR-AS200V Action Cam

Wenn's rumpelig wird, ist die kleine Sony groß im Bild

 

Nachdem ich im November 2015 im Friaul eine Drift Ghost Actioncam verloren hatte, musste im Frühjahr darauf Ersatz her. Nach einer kompletten Motorrad-Saison mit der Sony AS 200V ist es nun an der Zeit, meine Praxis-Erfahrungen  damit kundzutun.

Entschieden habe ich mich für die "kleine" Sony, weil ich auf 4K schon wegen der enormen Datenflut auf Reisen bislang verzichten kann, sie aber über dieselbe digitale Bildstabilisierung wie die X1000V verfügt (diese übrigens auch nur im Nicht-4K-Modus). 

 

Wie bei Actioncams üblich, bekommt man im Lieferumfang ein gerades und ein gebogenes Klebe-Pad zur Befestigung auf glatten bzw. gewölbten Flächen wie etwa auf einem Helm, ansonsten fällt das Zubehör in der Standard-Version eher dürftig aus: Neben einem Gehäuse, mit dem die spritzwasserfeste Cam bis zu 5 m Tiefe wasserdicht ist, findet man lediglich noch einen Stativ-Adapter, ein Zwischenstück für die Befestigung am Gehäuse und ein USB-Kabel. Abhilfe bzw. Besserung verschafft Sony mit drei verschiedenen, gezielt auf die Anforderungen des Endverbrauchers zusammengestellten Ausstattungs-Kits, in denen die Kamera angeboten wird: Travel Kit (VT), Remote Kit (VR) oder der von mir gewählte Bike Mount Kit (VB) inklusive Lenker-Halterung, Brillenband- bzw. Radhelm-Halterung, Winkel zur seitlichen Helm-Befestigung sowie einer Fernbedienung.

Mit dieser Fernbedienung hat man nicht nur den Betriebsstatus immer im Blickfeld, sondern auch ein Livebild, das bei entsprechender Nähe zur Kamera verzögerungsfrei und gestochen scharf praktisch in Echtzeit übertragen wird. Wie im Bild links auf dem Lenker montiert, lässt sich praktisch jederzeit ein Kontrollblick auf den kleinen Monitor werfen. Die Fernbedienung kann aber auch wie eine Uhr an der Hand getragen werden, beim Motorradfahren empfiehlt sich dafür die rechte, um nicht beim Gasgeben eingeschränkt zu sein (weil du die Remote Control ja dann mit der Linken bedienen musst). Bei Sonnenlichteinstrahlung nur schwer zu erkennen ist das kleine Lämpchen, das entweder Rot oder Blau anzeigt, ob die Kamera gerade filmt oder nur in Bereitschaft ist – hierfür muss man sich oft (siehe Bild unten) mit der Hand ein wenig Schatten spenden.

Der eingebaute Akku der Fernbedienung hielt auf meinen Reisen meistens einen ganzen Tag, ehe er über Nacht via Micro-USB-Kabel wieder aufgeladen wurde, nur in Ausnahmefällen war schon früher Schluss. Insgesamt könnten bis zu fünf Kameras an die Fernbedienung gekoppelt und damit gesteuert werden.

Die spritzwasserfeste Kamera kann sowohl ohne als auch mit dem wasserdichten Gehäuse verwendet werden. An Zubehör gibt es zwar nicht annähernd soviel wie beim Marktführer GoPro, die wichtigsten Halterungen sind aber auch für die Sony verfügbar. Dazu kann man durch das Standard-Stativgewinde auch einiges an Zubehör anderer Firmen verwenden bzw. passend machen – wie etwa das Anschluss-Stück der Drift-Cams, das gegenüber dem Originalteil den Vorteil hat, dass man es stufenlos drehbar festschrauben kann. Was ich z.B. bei der seitlichen Helm-Halterung gemacht habe, um jederzeit den Winkel ändern zu können. Die Feinjustierung bei der Befestigung der Kamera kommt dennoch nicht an jene der Drift heran, was vor allem daran liegt, dass Sony leider auf eine drehbare Linse verzichtet – GoPro-User sind nichts anderes gewöhnt, wer allerdings davor mit einer Drift unterwegs gewesen ist, wird diesen Komfort in der Praxis vermissen.

Etwas umständlich empfand ich auch die Menüführung mit den "Prev"- und "Next"-Tasten bzw. den Umstand, dass man bei jeder Änderung der Einstellungen wieder an den Start zurück kommt – gewöhnungsbedürftig. On/off-Schalter gibt es keinen, die Kamera schaltet sich ein, sobald man irgendeine Taste betätigt und nach einer frei konfigurierbaren Zeit wieder selbstständig aus, wenn sie nicht betätigt wird bzw. nicht filmt und mit keiner Fernbedienung gekoppelt ist.

Überhaupt nichts zu meckern gibt es punkto Bild- bzw. Tonqualität. Der gelieferte Ton gehört "nackt" mit zum Besten, was im Actioncam-Bereich am Markt ist, aber selbst im Gehäuse ist die Qualität immer noch sehr gut – was beim Motorradfahren freilich auch den Nachteil hat, dass Windgeräusche jene des Motors deutlich übertönen. Auch das Bild der FullHD-Videos braucht keinerlei Vergleiche im Nicht-4K-Bereich zu scheuen, die Farbdarstellung ist sehr natürlich, die ausgezeichnete Schärfe im 170° Aufnahmemodus in 1080p bei 30, 50 oder 60 Bildern/Sekunde nimmt auch im Randbereich kaum merkbar ab. Der Hauptgrund, warum ich mich für die Sony entschieden habe, war aber die eingebaute Bildstabilisierung. Schaltet man die SteadyShot ein, reduziert sich der Aufnahmewinkel auf 120° und das Bild wird wirklich merkbar ruhiger, was sich am Motorrad speziell bei Fahrten auf unbefestigten Wegen und über Pisten, wenn es so richtig rumpelig wird, in den Aufnahmen niederschlägt. Bildqualität bzw. -schärfe nimmt dabei zwar ein wenig ab, ist aber meiner Meinung nach immer noch im grünen Bereich.

Nachstehendes Video zeigt die Unterschiede zwischen dem "normalen" Modus mit einen Aufnahmewinkel von 170° und dem Bildstabilisierung-Modus "SteadyShot" mit 120°:

Entgegenwirken kann man dem auch mit Nachschärfen der mittels Bildstabilisator erstellten Aufnahmen im Video-Schnittprogramm, was meiner Meinung nach aber nicht unbedingt nötigt ist, da der Unterschied keinesfalls eklatant ausfällt.

Nachstehendes Video zeigt Aufnahmen mit der Sony im 120° SteadyShot-Aufnahmemodus mit und ohne automatischem Nachschärfen in Final Cut Pro X:

Fotografieren hat für mich persönlich mit Actioncams keinen großen Stellenwert, aber natürlich kann man das auch mit der Sony, die in voller Auflösung  (170° Aufnahmewinkel) Bilder mit 8,8 Megapixel erstellt. Beim Bildwinkel von 120° reduziert sich die Größe der Fotos auf 5,4-Megapixel, weil es sich hier um keinen Zoom handelt, sondern einfach ein Ausschnitt des Bildes genommen wird. Das können andere wie GoPro besser und schärfer. Speziell was schnelle Serienbilder betrifft, die hier lediglich in FullHD-Auflösung gespeichert werden, was einer Größe von zwei Megapixel pro Foto entspricht.

Ein Schwachpunkt der AS 200V Actioncam ist die im Vergleich zu Konkurrenz-Produkten wie der Drift Ghost oder der Garmin VIRB doch recht bescheidene Akku-Laufzeit. Die Herstellerangaben von etwas mehr als zwei Stunden können vielleicht im durchgehenden Filmbetrieb und ohne Fernbedienung erreichbar sein, in der Praxis mit wiederholtem Ein- und Ausschalten kann es gerne Mal eine gute halbe Stunde weniger sein. Auf Reisen ist es daher unumgänglich, eine ganze Reihe von Ersatz-Akkus dabei zu haben oder/und unterwegs zu laden. Und natürlich immer wieder einen Kontrollblick auf die Fernbedienung zu werfen, ob denn das Livebild immer noch zu sehen ist. Denn im Gegensatz zur Drift, die sich mit einem relativ lauten Signalton meldet, bevor sie sich abschaltet, geht der Sony still und leise der Saft aus. Und im Unterschied zu GoPro, für die es spezielle, dicke Power-Packs gibt, die an der Rückwand befestigt werden und fast einen ganz Fahrtag halten, kann man in der Sony lediglich Akkus derselben Bauart bzw. Kapazität verwenden.

Fazit:

Wenn ich mir meine eigene Actioncam zusammenbasteln könnte, würde ich den leistungsstarken Akku und die drehbare Linse der Drift Ghost in die Sony packen und dazu vielleicht noch das eine oder andere Teil aus dem umfangreichen Zubehör-Sortiment von GoPro dranhängen – die hervorragende Ton- und Videoqualität der Sony machen sie aber auch "original" zu einer wirklich guten Wahl im Bereich der Mittelklasse-Cams. Speziell wegen dieser klasse funktionierenden Bildstabilisierung, die mich auch über die bescheidene Akkuleistung hinwegschauen lässt.

Allein deshalb und wegen der feinen Fernbedienung ist mir die AS 200V so sehr ans Herz gewachsen, dass ich schon überlege, ihr im Frühjahr 2017 das neue Premium-Modell FDR-X3000 4K zur Seite zu stellen, da diese als erste Action-Cam über eine optische Bildstabilisierung verfügt, wie man sie von den Top-Camcordern von Sony kennt. Womit die Japaner in diesem Bereich wohl wieder einen Schritt vor GoPro sind, wo in der neuen Hero5 erstmals auch ein (digitaler) Bildstabilisator verbaut ist. Und außerdem wäre dann die Sony-Actioncam-Familie im Hause Wolf komplett, ist mir doch im Laufe der Saison noch die schwarze HDR-AS50 äußerst günstig zugeflogen. Über das ebenfalls mit SteadyShot ausgestattete "Einsteigermodell" gibt es vielleicht auch noch einmal einen etwas ausführlicheren Test- bzw. Praxisbericht.

© 11/2016

Finde aktuelle Angebote der Sony AS200 auf Amazon: > KLICK <