Schottern im Grenzbereich


Blick von der Straniger Alm/Kärnten
Blick von der Straniger Alm/Kärnten

Max rief, zwei kamen. Weil er seine extra für unsere Tour zur Ligurischen Grenzkammstraße im September angeschaffte Honda Dominator einer "Nagelprobe" unterziehen und gleichzeitig ein wenig auf Schotter "üben" wollte, suchte Max, der ja eigentlich Michael heißt, aber das zu erklären hier den Platz sprengen würde, kurzfristig Mitstreiter, die mit ihm ein paar Tage die Gegend um den Monte Grappa unsicher machen. Nun, ein paar Tage spielts vor den zwei Wochen LGKS/Seealpen bei meinereinem aus beruflichen Gründen grad sowieso nicht und für nur einen wäre sogar mir die Anreise nach Venetien ein wenig zu heftig gewesen – mit dem Vorschlag Straniger Alm bzw. der Aussicht auf selbiger legal über die grüne Grenze von Österreich nach Italien zu schottern, war Max aber rasch auf Friaul umgepolt, mit Reini bald ein weiterer Mitstreiter gefunden. Der Plan: Gemeinsames Abendessen in Kärnten, dann über den Straniger Sattel bzw. auf italienisch: Passo Polentin nach Italien und dort dann schauen, was noch geht, ehe ich mich am Nachmittag wieder auf den Rückweg machen müsste…

Auf der Saualpe/Kärnten
Auf der Saualpe/Kärnten

Tag 1 • Endurowandern

im Herzen Kärntens 

 

Wien - Gloggnitz - Kindberg - Fladnitz an der Teichalm - Köflach - Packsattel - Wolfsberg - Saualpe/Wolfsberger Hütte - Klippitzthörl - Sankt Veith an der Glan - St. Urban - Feldirchen - Arriach - Feistritz - Windischer Höhe - St. Stefan im Gailtal - Hermagor - Jenig

 

Streckenlänge: ca. 530 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

 

Vor der Wahl stehend, nach Büroschluss auf schnellstem Wege rund 400 Kilometer zum Treffpunkt nach Jenig bei Hermagor zu hetzen oder für die Tour doch lieber einen zweiten Arbeitstag zu "opfern", habe ich mich definitiv für das Richtige entschieden: Gleich nach dem Frühstück ging es los, um trotzdem zunächst das erste Stück auf Südautobahn bzw. S6 in Angriff zu nehmen, ehe es über die Teichalm und später den Packsattel nach Kärnten ging.

Vergisst man bei Kurztripps gerne: Schuhwerk für nach dem Fahren…
Vergisst man bei Kurztripps gerne: Schuhwerk für nach dem Fahren…

Inklusive eines unfreiwilligen Zwischenstopps vor einem Schuhgeschäft (und das, obwohl die beste Sozia wo gibt, gar nicht dabei war!). Denn auch wenn man denkt, dass für eine Zwei-Tages-Tour rasch alles zusammengepackt ist – Zahnbürste, je eine zweite Unterhose bzw. T-Shirt, Jeans – hatte ich doch glatt auf eine Alternative zu den Endurostiefeln vergessen. Mit neuem Schuhwerk für den Abend im Seitenkoffer, nahm ich dann bei Wolfsberg die Saualpe in Angriff. Über St. Michael und Lading gerät man auf eine zunächst noch asphaltierte, schmale Bergstraße, die dann irgendwann in einen guten, gepflegten Schotterweg übergeht, der auch problemlos mit reinen Straßenmotorrädern zu bewältigen ist. Zumindest bis zu jenem Parkplatz, von dem aus die Wolfsberger Hütte bereits zu sehen ist und ab dem ein allgemeines Fahrverbot gilt. Als ich den Tiger dort abstellen wollte, sprachen mich Wanderer an, ob ich denn gar nicht zur Hütte rauf wolle, auf meine Antwort, dass dies ja nicht erlaubt wäre, kam nur ein kärntnerisches "wohl" - und auch die dazukommenden Locals bekräftigten mich: "Mit da Maschin is jo dos ka Problem!"

Auf dem Weg zur Wolfsberger Hütte
Auf dem Weg zur Wolfsberger Hütte

 Offenbar wird das Fahrverbot auf der Privatstraße, zumindest Wochentags nicht zu streng genommen, und so kam ich in den Genuß des schönsten Streckenabschnitts, der - nun stellenweise etwas grober geschottert - über ein paar Kehren hinauf zur Wolfsberger Hütte auf 1.825 Meter führt. Auch dort kein böser Blick, im Gegenteil, das Motorrad sorgte bei einigen Wanderern für Gesprächsstoff und auch der Wirt (oder Kellner) war freundlich. Selbstredend, dass man mit Rücksicht auf die Wanderer fährt und ich oben auch etwas konsumierte.

Ein paar Impressionen von der Saualpe bzw. Wolfsberger Hütte (1.825 m):


Anschließend ging's weiter über das Klippitztörl (1.644 m), wobei die Weißenbachstraße von Lading kommend über St. Margarethen noch "enduromäßig" uneben, jene über die Passhöhe aber frisch asphaltiert und dementsprechend für alle Arten von Motorädern wunderbar zu fahren ist. Das Schöne an Kärnten ist aber, dass meist auch die "normalen" Wege von Pass zu Pass absolut fahrenswert sind, wie jene um Sankt Urban vor Feldkirchen oder über Arriach danach. Die ursprünglich noch angedachte (mautpflichtige) Gerlitzen-Gipfelstraße ließ ich dann aber aus, da es langsam Abend wurde und Max sowie Richard, die beide ihre Motorräder im Bus nach Kärnten gebracht hatten, bereits hungrig im Quartier in Jenig warteten. Also ging es "nur" noch über die Windische Höhe (1.110 m), ehe wir uns das Abendessen samt Radler schmecken ließen und Pläne für den nächsten Tag schmiedeten.

Wallfahrtskirche in Kreuzen Auf der Eben, am Weg zur Windischer Höhe in den Gailtaler Alpen
Wallfahrtskirche in Kreuzen Auf der Eben, am Weg zur Windischer Höhe in den Gailtaler Alpen
Passo Polentin/Friaul
Passo Polentin/Friaul

Tag 2 • Über die grüne Grenze

 

Jenig - Straniger Sattel/Passo Polentin - Lanzenpass/Passo del Cason di Lanza - Pontebba - Sella di Sompdogna - Chiusaforte - Lago del Predil - Tarvisio - Podkoren - Wurzenpass - Villach - Lavamünd - Soboth - Deutschlandsberg - Graz - Wien

 

Streckenlänge: ca. 545 Kilometer

Strecken-Link: MotoPlaner

 

Bereits um 8 Uhr Mogens ging's dann los, wurden unsere Motorräder – je eine Suzuki DR650, Honda Dominator und Triumph Tiger 800 XC – gesattelt und die Straniger Alm angesteuert. Eine gute Entscheidung, hatten wir doch die bei Wanderern und Mountainbikern beliebte Route um diese Zeit praktisch für uns alleine. Bereits ab der kleinen Ortschaft Stranig beginnt die Schotterstrecke, die sich Kehre um Kehre durch den Wald stetig hoch räkelt, nur ab und zu kurze Ausblicke auf das Gailtal gewährt.

Straniger Alm/Kärnten
Straniger Alm/Kärnten

Immer wieder trifft man dabei auf Abzweigungen zu verschiedenen Almen bzw. Höfen in der Gegend, doch einzig der Weg über die Straniger Alm, die sich nur wenig unterhalb der Passhöhe von 1.531 Metern befindet, führt über den Kamm der Karnischen Alpen bis nach Italien. Einen Grenzstein bzw. ein Hinweisschild sucht man vergeblich (oder es ist uns entgangen), nur ein kleiner, leicht zu übersehender Wegweiser zeigt die Richtung an – und irgendwann geht's plötzlich bergab und man ist im Friaul. Wobei die Strecke auf italienischer Seite (SG 4 nach Denzel) anspruchsvoller wird, der Schotter gröber. Die steilsten Abschnitte sind aber zum Teil mit Natursteinen betoniert. Mit unseren Motorrädern war's bei trockener Fahrbahn kein Problem, ich kann mir aber gut vorstellen, wie sehr mein Freund und Tourenpartner Gigl vor zwei Jahren mit seiner stets blitzblank gepflegten Deauville gelitten hat, als er unserem leider viel zu früh verstorbenen Michl am Hinterrad im ersten Gang den Weg hinunter bis zur Einmündung in den Passo del Cason di Lanza folgte.

Nur Fliegen ist schöner: Reini am Cason di Lanza
Nur Fliegen ist schöner: Reini am Cason di Lanza

Dessen schmale Trasse ist – dem Giro d'Italia 2013 sei's gedankt – mit hervorragendem Asphalt versehen und lädt förmlich zum gemütlichen Kurvenschwingen ein. Ein wunderbarer Pass, der traumhafte Ausblicke auf imposante Bergkulissen mit einer Laune machenden Streckenführung verbindet. Bis Pontebba geht es fast 30 Kilometer lang kurzweilig in dieser Tonart voran, dort machten wir uns dann auf den Weg Richtung Dogna, wo mit der Sella di Sompdogna ein weiterer Leckerbissen unserer Tour wartete: Eine schmale von wechselhafter Qualität asphaltierte, 13 Kilometer lange "Sackgasse", die sich in unzähligen Kehren bis auf knapp 1.400 m hinauf windet, vorbei an Befestigungsanlagen aus dem 1. Weltkrieg  immer wieder mit Brücken über Schmelwasserabflüsse bzw. Muhren- oder Hangrutschgefährdete Stellen führt. Nach der zweiten imposanten Kehrenfolge bieten sich Fernblicke auf die Montasch-Gruppe bzw. dessen höchste Erhebung, den Jof de Montasio (2.753 m).


Blick aufs Rifugio Fratelli Grego
Blick aufs Rifugio Fratelli Grego

Oben angelangt, heißt es jedoch wieder Umdrehen, warten neben dem bewirtschafteten Rifugio Fratelli Grego nur zwei mit einem Fahrverbot versehene Schotterstrecken. Da wir die linke der beiden auf Richards Karte als beträchtlichen Abkürzer auf dem noch geplanten Weg in Richtung Mangart ausmachten, konnten wir der Versuchung jedoch nicht widerstehen. Man merkte schon nach wenigen hundert Metern, dass der Weg kaum befahren wird, Gras wucherte durch den Schotter, nach vielleicht drei Kilometern sahen wir dann auch warum: Ein Teil der einstigen Nordrampe, die vom Ort Valbruna zum Scheitel führte, ist einfach weggespült und unpassierbar.

Links geht's, Burschen...
Links geht's, Burschen...
...aber nur bis hierher!
...aber nur bis hierher!


Giro ist in Italien (fast) immer und überall
Giro ist in Italien (fast) immer und überall

Also fuhren wir die Strecke wieder zurück ins Tal, um dann von Chiusaforte die wunderbar geschwungene Salita al Promontorio Richtung Lago de Predil zu nehmen, ebenfalls dank des Giros über weite Strecken mit frischem, spiegelglattem Belag versehen. Da mittlerweile schon der Nachmittag angebrochen war und sich allmählich Hunger einstellte, wurde dieser mit drei Portionen Spagetti al Ragu am Ufer des Predil-Sees gestillt. Die fortgeschrittene Stunde und dicke Gewitterwolken, die über den Bergen hingen, ließen uns den Plan, noch den Mangart zu fahren, bevor ich mich auf den Heimweg machte, verwerfen. Schade für Max und Reini, die diese imposante Bergstrecke, die für mich zu den schönsten der Alpen zählt, noch nicht kennen – ohne der entsprechenden Aussicht macht er jedoch nur den halben Spaß.

Das obligate Foto am Wurzenpass
Das obligate Foto am Wurzenpass

Also begleiteten mich die beiden, die noch ein bzw. zwei Nächte länger blieben, bis Tarvis, wo ich dann Richtung Slowenien abbog, um noch den Wurzenpass mitzunehmen. Der Rest der noch rund 400 Kilometer nach Wien, die ich phasenweise auf der Autobahn, aber auch schönen Strecken wie der Soboth von Kärnten in die Steiermark zurücklegte, war ein Mix aus Sonne, Wolken und ein paar Regentropfen am Visier, wobei das Wetter immer besser wurde, je weiter es nordwärts ging, so dass ich unter der vorsorglich angezogenen Regenmontur noch ordentlich ins Schwitzen geriet. Und kurz vor 20 Uhr stand der Tiger wieder daheim in der Garage.

Fazit:

Es waren zwei tolle Tage auf ebensolchen Strecken, die ich trotz aller Strapazen von jeweils fast 12 Stunden im Sattel zum Aufladen der inneren Akkus nützte – und obendrein hab ich zwei neue "Partner" gefunden (Max hatte ich ja schon im Frühjahr beim Mimoto-Reiseforumstreffen kennengelernt, sind damals aber nur in einer sehr großen Gruppe zusammen gefahren), mit denen ich jederzeit gerne wieder auf Tour gehen würde. Burschen, es war fein mit euch!

Und wenn mal wieder irgendwer kurzfristig irgendwo Schotter (oder auch Kurven) unter den Rädern sucht - einfach melden: Wochentags bin ich, wenn's die Zeit zulässt, immer wieder mal für was Spontanes zu begeistern.