Touratech Compañero

Zwei in einem

Die Diskussion über den "perfekten" Motorradanzug ist in etwa so kompliziert wie jene über das perfekte Motorrad – weil jeder andere Ansprüche stellt bzw. Einsatzgebiete dafür hat. Schon allein über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Materialen (Leder, Textil) werden wahre Glaubenskriege gefochten. Auf der Suche nach dem für mich passenden Tourenanzug bin ich irgendwann dann aber zwangsläufig auch über den bei Stadler in Bayern gefertigten Compañero von Touratech gestolpert. Weil in der Anschaffung nicht gerade billig, fuhr ich ein gutes Jahr damit "schwanger" im Hinterkopf herum, ehe ich vom Konzept soweit überzeugt gewesen bin, dass ich mir letzten Winter einen anschaffte. Nach einer Saison, in der ich den Großteil meiner rund 40.000 Zweiradkilometer mit dem Compañero absolvierte, traue ich mir nun auch ein persönliches "Testurteil" darüber abzugeben.

Zu allerst: Man bekommt mit dem Compañero zwei Anzüge: Einen luftigen Sommeranzug und einen für jedes Wetter. Das Hauptargument für mich war die in meinen Augen an sich "logische" Vorgehensweise, dass man den Schlechtwetter- bzw. Regenanzug über den anderen drüber anzieht und nicht mühselig wasserfeste Inlays erst hineinzippen muss. Das hat neben der Tatsache, dass das "Umjustieren" im Fall der Fälle weit rascher von sich geht, vor allem auch den Vorteil, dass die (im Sommeranzug untergebrachten) Protektoren auch wirklich immer dort sitzen, wo sie sollen – und zwar völlig unabhängig davon, in welcher Montur man jetzt gerade fährt. Dass wie bei Anzügen aus dem Hause Stadler üblich, diese Protektoren (CE-genormt, an Schultern, Ellbogen, Hüfte, Steißbein, Knie und Rücken) top sind, muss ebensowenig erwähnt werden, wie die gute Verarbeitung. Dennoch will ich der Wahrheit bzw. Vollständigkeit halber nicht verheimlichen, dass bei meinem Anzug relativ rasch ein Druckknopf gebrochen ist - niemand ist eben gänzlich vor Materialfehlern gefeit, was jedoch selbstverständlich und unverzüglich bei Touratech behoben wurde (dauerte keinen Kaffee lang an Wartezeit). Eine zehnjährige Garantie unterstreicht das Vertrauen in die Qualität der Verarbeitung.

Der Zip endet, wo's nicht weh tut
Der Zip endet, wo's nicht weh tut

Insgesamt gefallen mir bei dem Anzug, der komplett getragen freilich kein Leichtgewicht ist (6 kg!), die vielen pfiffigen Details, die auch ein Indiz dafür sind, dass er von Motorradfahrern aufgrund langjähriger Erfahrungen für Motorradfahrer entwickelt worden ist. Das beginnt schon "unsichtbar" bei den Reißverschlüssen, die sowohl am Ärmel als auch bei den Beinen nicht ganz bis zum Ende des Stoffes führen: Jeder, dem schon mal der "Schieber" des Zips unter dem Stiefel bzw. dem Handschuh schmerzhaft auf den Knöchel drückte, weiß ein Lied davon zu singen, wie unangenehm das sein kann. Eine Reihe an Taschen, bei der Außenjacke wasserdicht, runden das auf Funktion ausgelegte Gesamtbild ab. An der Sommerjacke sind am linken Arm noch eine Sonnenbrillentasche (mit weichem Futter, so dass die Brille in keiner zusätzlichen Schutzhülle stecken muss) sowie eine Klarsichttasche angebracht. An der Allwetter- bzw. Membranhose gibt es keine Taschen, sondern Durchgriff-Schlitze, durch die man zu den Taschen der Sommerhose gelangt – praktisch, weil man deren Inhalt vorm Überziehen nicht leeren bzw. umräumen muss.

Pfiffige, durchdachte Details zeichnen den Compañero in der Praxis aus:

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Tasche für die Sonnenbrille
Tasche für die Sonnenbrille

1) Lufteinlässe in der Allwetterjacke

2) ausreichend Taschen (nur in der Außenjacke wasserdicht)

3) Die Passform ist individuell einstellbar

4) praktische Klarsichttasche für Handy oder Fahrzeugpapiere

 

Mittels Gurten lässt sich der Sitz der Sommerjacke sowohl im Taillen- als auch im Brustbereich perfekt stufenlos einstellen, die Jacke ist sowohl mit der Hose, als auch mit der Membranjacke durch Reißverschlüsse zu verbinden. Ein langer Reißverschluss an der Membranhose praktisch über die gesamte Beinlänge erleichtert den Einstieg in dieselbe mit Endurostiefel. Die sowohl über als auch unter der Hose getragen werden können. Ich fahre eigentlich immer mit dem Stiefel über der Sommerhose. Dazu ist am Rücken der Sommerjacke eine Tasche angebracht, in der sich die Membranjacke verstauen lässt – praktisch, allerdings nur mit viel Geduld beim Zusammenfalten. Aus diesem und auch optischen Gründen bevorzuge ich den Transport der Schlechtwetterkombi im Seitenkoffer oder Rucksack.

Allweterhose: Zip über die gesamte Beinlänge
Allweterhose: Zip über die gesamte Beinlänge
Die Jacken sind in wenigen Handgriffen miteinander verbunden
Die Jacken sind in wenigen Handgriffen miteinander verbunden

Auch für Fahrten um den Gefrierpunkt ist man mit dem Compañero gewappnet
Auch für Fahrten um den Gefrierpunkt ist man mit dem Compañero gewappnet

Wie bewährt sich das alles nun in der Praxis? Der Regenschutz ist phänomenal. Selbst bei stundenlangen Fahrten durch sintflutartige Regenfälle kommt kein Tropfen durch und - anders als bei den meisten Kombis - schon nach wenigen Minuten Fahrt nach dem Regen ist man auch außen wieder völlig trocken. Allerdings sollte man nicht zu lange damit warten, bis man sich die Membran-Kombi drüber zieht, da die Sommer-Montur definitiv nicht für Regen gemacht ist und man sonst recht rasch bis aufs Unterhemd nass wird. Die Stärken der Sommer-Kombi liegen, wie der Name schon sagt, bei sommerlichen Temperaturen: Ist man mit der Membran-Kombi selbst für Fahrten um den Gefriepunkt gewappnet, so bleibt es in der hervorragend durchlüfteten "Innenschicht" selbst bei tropischen Temperaturen angenehm – die 40 Grad im heißen Sommer 2013 kamen dem "Test" durchaus gelegen. In dieser Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten steckt auch eine "Schwäche" des Compañeros: Nämlich der Grenzbereich, jene Temperaturen, in denen man von der einen zur anderen Kombi wechselt. Da wird es einem im Sommergwandl schon einmal bei Einsetzen der Dämmerung oder unter 20 Grad rasch kalt, während man in voller Montur ins Schwitzen gerät – diese Grenze liegt aber subjektiv bei jedem woanders und kann mit anderen Kleidungsstücken behoben werden: So trage ich in diesem Temperaturbereich entweder lediglich ein kurzes T-Shirt unter der Allwetterkombi oder ein Langarm-(Funktions)-Shirt (ev. noch plus T-Shirt) unter der Sommerkombi.

Noch etwas zu meinen Einsatzbereichen in der Praxis: Die tolle, weil wirklich in der Bewegung überhaupt nicht einschränkende Compañerohose trage ich meist nur bei Touren (und immer mit Stiefel), die Jacke - dann eben in Verbindung mit einer Lederhose oder auch (Kevlar)-Jeans - genauso auch am täglichen Weg ins Büro bzw. beruflichen Terminen, wo ich nicht den ganzen Tag mit den Endurostiefeln herumlaufen mag.

Fazit:

Das Wichtigste zuerst – ich würde ihn wieder kaufen. Denn der Compañero ist wirklich ein Anzug für jede Jahreszeit, mit dem man von 0 bis 40 Grad, so angenehm es eben bei 0 oder 40 Grad auf dem Motorrad sein kann, richtig adjustiert ist, vor allem auf Reisen ein verlässlicher Begleiter. Der Sommeranzug ist luftig genug und bietet Bewegungsfreiheit selbst für sportlichste Fahrweise im Gelände, der Allwetteranzug für alle auch noch so unwirtliche Bedingungen bereit: Das Gewand ist jedenfalls mit dem Compañero keine Ausrede mehr, wenn man nicht fahren will. Mühseliges Einzippen eines regenfesten und/oder wärmenden Futters fällt weg – und obendrein lässt sich die Membranjacke, die ja ohne Protektoren daher kommt, auch als lässige, regenfeste Outdoorjacke verwenden, muss auf Reisen auch für den Abend nichts zusätzliches eingepackt werden.

 

Wer in Österreich einen Compañero will, findet übrigens im neuen Touratech-Outlet in Baden alle gängigen Größen zum probieren oder auch nur angreifen/anschauen – aber Vorsicht: Ich komme dort selten raus, ohne irgendein Teil fürs Motorrad oder die Reise mitzunehmen... 

© 12/2013