KTM 1290 Super Duke GT • Modelljahr 2016

Das Beast im Reisekleid macht dir die Welt zur Rennstrecke

Mein Sandkastenfreund Klaus, mit dem ich einst schon mit dem Moped unsere burgenländische Heimat unsicher machte oder – ja früher war wirklich alles besser – verbotener aber (fast) nie geahndeterweise mit dem Motocrosseisen durch die Weingärten hinterm Ort pflügte, hat eine und ist von ihr begeistert. Das allein wäre schon ein guter Grund gewesen, die 1290 Super Duke GT ausgiebig zu testen, den anderen lieferte KTM mit den Respekt einflößenden Eckdaten des angeblich reisetauglich gemachten Beast, wie die Super Duke R von der findigen Marketingabteilung in Mattighofen nicht zu Unrecht getauft wurde: 173 PS, 144 Newtonmeter – und das Ganze  bei einem Trockengewicht von nur 205 kg!

Wer schon einmal am Gashahn der R gedreht hat, weiß das Ready to Race in Orange richtig zu interpretieren. Als KTM dann verkündete, sie hätten dieses geile Motorrad, das eher nach einem Waffenschein denn einem Führerschein schreit, auch noch reisetauglich gemacht, war mein Interesse endgültig geweckt. Es muss ja nicht immer Schotter sein…

Leistung und Drehmoment blieben zumindest den nackten Zahlen nach gegenüber der sportlichen Variante unverändert, ein anderes Motormapping macht die GT jedoch um einiges zahmer bzw. auch für Otto Normalverbraucher fahrbarer. Optisch stechen als erste Erkennungsmerkmale das siebenfach verstellbare Windschild (und ein dadurch gleich viel zurückhaltenderes, braveres Gesicht) bzw. der von 18 auf 23 Liter vergrößerte Tank ins Auge.

Der Unterschied zur R ist freilich viel weitreichender ausgefallen. Das beginnt schon bei der neuen Auspuffanlage mit Klappensystem, mit dem die GT bereits 2016 EURO 4 erfüllte, geht über die tiefer montierten Sozius-Fußrasten, den breiter und höheren, einstellbaren Lenker, das LED-Kurven- und Tagfahrlicht, und, und, und. Kann man sicher alles im Detail auf der Homepage von KTM nachlesen, was mich weit mehr interessierte, war: Wie fährt sich dieses Biest? Schon beim Drücken des Startknopfs hörst bzw. ahnst du die Kraft des Zweizylinders. Also nix wie aufsteigen!

Man fühlt sich sofort wohl, die Sitzbank ist bequem (auch wenn sich Sozia naturgemäß im Sattel der 1290 Super Adventure wohler fühlte), der Kniewinkel mit meinen 1,76 m angenehm. Wie von der großen Reiseenduro gewöhnt lässt sich das semiaktive WP-Fahrwerk, dass sich automatisch an Straßenzustand und Fahrstil anpasst, elektronisch einstellen, bequem an der Kommandozentrale in der linken Hand zwischen den Dämpferabstimmungen "Sport", "Street" und "Comfort" wählen. Was jeweils mit einem der drei angebotenen Fahrmodi "Sport", "Street" bzw. "Rain" zu kombinieren ist. Neben Gasannahme und Power (im Regenbetrieb stehen lediglich 100 PS zur Verfügung) ändert sich dabei jeweils auch die Intensität der Traktionskontrolle (MTC), die im Sport-Modus durchaus leichte Drifts im Kurvenausgang erlaubt. Man spürt die Unterschiede wirklich recht deutlich und es machte doch einen erheblichen Unterschied fürs Gebiss bzw. das ganze Knochengerüst, ob ich in der Comfort-Abstimmung über meine Fahrwerks-Normrunde am holprigen Kopfsteinpflaster der Höhenstraße glitt oder mich auf derselben mit der Sport-Dämpfung durchrütteln ließ.

Trotzdem war schon bald die Kombination Sport-Sport meine favorisierte. Schließlich will so ein Motorrad sportlich bewegt werden und die GT reißt einfach ganz anders an, als etwa die schon erwähnte Super Adventure oder deren "kleine" 1190er-Schwestern – gefühlt fällt der Unterschied jedenfalls weit größer aus, als es die 13 bzw. 23 Mehr-PS am Papier vermuten lassen würden. Schade fand ich, dass es keinen persönlich konfigurierbaren User-Modus gibt, in dem man sich – wie etwa bei der Ducati Multistrada – seine persönliche Idealkombination aus Gasannahme, Traktionskontrolle, ABS-Intensität etc. abspeichern kann.

Auch mit Windschild ist das Motorrad in seinen Genen eine Duke geblieben, Kurven jeglicher Radien zauberten mir ein Dauergrinsen unter den Helm. Im Winkelwerk des Wienerwalds oder der Buckligen Welt war mir Street schon zu weich und auch wenn KTM "Sports Tourer" auf die Gran-Turismo-Variante draufschreibt, so steckt doch immer noch dieses furchteinflößende Biest drinnen, welches dir nach jeder Kurve suggeriert, dass es freigelassen werden will. All das erfordert auch eine gewisse Reife in der rechten Hand bzw. einen verantwortungsbewussten Umgang mit derselben.

 

Aber natürlich lässt es sich auch entspannt dahincruisen, selbst lange Etappen sind keine Qual, immer mit dem Wissen im Hinterkopf, dass man sich jederzeit die Straßen dieser Welt zur Rennstrecke machen könnte. Wer will, kann für die 1290 Super Duke GT sogar eine Berganfahrhilfe ordern, serienmäßig an Bord ist der Tempomat, der auf der Reise sicher ein weiteres komfortables Feature darstellt. Kenn ich, hab in der gemeinsamen Woche aber drauf verzichtet, da aktives Fahren angesagt war. Regelmäßig genutzt wurde dagegen der Schaltassistent bzw. Quickshifter, mit dem es sich ohne Kupplung hochschalten lässt – nicht nur zur Bequemlichkeit, vor allem beim rasanten Beschleunigen unterstützt er rasche Schaltvorgänge. Zum Runterschalten muss man freilich die Kupplung betätigen oder sich der Fahrtechnik des Schaltens ohne Kuppeln bedienen, der Assistent lässt dich da jedenfalls im Stich. Nichts zu meckern gibt es über die Bremsen von Brembo (vorne zwei 320-Millimeter-Scheiben, hinten eine 240er), verzögert wird im Premium-Segment selbstredend mit schräglagenabhängigem Kurven-ABS, das auch abgeschaltet werden kann bzw. im Supermoto-Modus nur am Vorderrad aktiv ist. Und beim Betätigen der Vorderradbremse verzögert stets auch die Hinterradbremse dezent variabel mit.

Eine sehr persönliche Geschichte ist beim Motorradfahren immer die Reifenwahl, bei solch einem Geschoß natürlich in ganz besonderem Maß. Die serienmäßig aufgezogenen Pirelli Angel GT, die ich unter anderem auch schon auf der Triumph Tiger Sport gefahren bin, vermitteln jedenfalls einen vertrauenserweckenden Eindruck, geben gutes Feedback und bieten ordentlich Grip – dennoch hatte ich bei sportlicher Fahrweise doch den einen oder anderen Rutscher, weshalb ich hier sicher auch Alternativen wie den Metzeler Roadtec Z8 Interact oder den Road Attack 2 von Conti ausprobieren würde, wenn's meins wär. Apropos Conti: Wenn es nicht auf die Reise sondern eher auf den Hausstrecken rund gehen soll, wäre sicher auch der Sport Attack 3 einen Versuch wert bzw. erste Wahl, wobei man dessen Performance natürlich mit einen höheren Preis in punkto Verschleiß bezahlen müsste.

Genehmigt hat sich das Motorrad auf den rund 1500 Kilometern, dich ich damit unterwegs gewesen bin, durchschnittlich 6,8 Liter Super auf 100 km, was eine ordentliche Reichweite von 300 bis 350 Kilometer pro Tankfüllung ergibt und für die Reise ausreichen sollte.

Da mir das Testmotorrad ohne Seitenkoffer zur Verfügung gestellt wurde (ich hatte aber auch nicht extra danach gefragt), konnte ich leider keine ausgiebigen Versuche im vollbepackten Reise-Ornat absolvieren. Montiert und demontiert sind die schicken und stabil wirkenden Boxen jedenfalls in wenigen Handgriffen, wovon ich mich bei einem Abstecher zum KTM Flagshipstore Wien überzeugte, die dezenten Aufnahme-Punkte neben dem Sozius-Sitz stören die Optik auch nicht beim Fahren ohne Koffer. Punkto Fahrverhalten auf der Reise muss ich mich aufs Fazit von Klaus verlassen, der mit seiner Super Duke GT schon in Frankreich und den Dolomiten gewesen ist und voll beladen ebenfalls Sport-Sport favorisiert. Geht sicher auch anders, aber wer sich so ein Reisemotorrad kauft, bummelt wohl eher selten…

"Halt dich gut an, hat er g'sagt, der Wolf, als ich mich das erste Mal bei der KTM 1290 Super Duke GT hinten drauf gesetzt hab. Und dann hat er mir natürlich gleich als wir aus Wien draußen gewesen sind, zeigen müssen warum. Na bumm, die Beschleunigung ist nicht ohne, ich schrei ihm ja eher selten in den Helm – das hat richtig Spaß gemacht. Und war auch durchaus bequem, wozu der gute Sitz, nicht zu hart und nicht zu weich, sowie die für mich recht angenehme Position der Rasten beitrugen. Alles gesamt zu gut für nur zwei Wölfe, also gibt's deren drei – eine Reise, so fast ohne der Gefahr von Schotter, hätte auch mal was!"


Fazit:

Beachtlich, was KTM aus der ultimativen Fahrmaschine für ein (bei Bedarf) komfortables Reisegefährt gemacht hat, bei dem man auf nix verzichten muss, was bei einem Premium-Tourenmotorrad (in Österreich sind dafür stolze 21.198 Euro zu berappen) state of the art ist. Doch serienmäßige Heizgriffe hin, Reifendruck-Kontrolle her – das Herzstück der 1290 Super Duke ist auch in der GT-Variante der Motor, eines der geilsten Aggregate dieser Welt! Wenn du den Zweizylinder anwirfst, spürst du schon sein Leben unter der Sitzbank, wenn du am (dank Ride by Wire) kabellosen rechten Griff drehst, spielt die Musik! Da fragst du nicht mehr, ob man 173 PS in einem motorisierten Zweirad braucht. Natürlich nicht. Aber es macht Spaß, sich ab und zu mal von einem Biest die Arme langziehen zu lassen. Auch mir, der ich bekanntermaßen auf meinen Reisen immer gern auch etwas Schotter unter den Rädern habe, weshalb für mich persönlich die Adventure-Modelle dennoch die erste Wahl sind, so toll und ausgereift dieses Ding auch sein mag. Aber vielleicht so eine Super Duke R für die After-Work-Runde? Mein Bankberater würde wohl nein sagen, meine Strafzettel-Sammlung gefährlich ansteigen – und meine 690 Duke R daheim in der Garage wäre wohl zutiefst beleidigt. Auch ihr Einzylinder weckt Emotionen und muss nicht zwingend langsamer ums Eck bewegt werden.

© 10/2016