Für gewöhnlich bevölkern ja unsere deutschen Motorradfreunde vor allem die Alpenregionen Österreichs während der warmen Jahreszeit bis in die letzten Winkeln, ich drehte Ende März einfach Mal den Spieß um und machte mich mit dem Tiger auf die Reise nach Deutschland. Ziel war der kleine Ort Hechlingen in Mittelfranken, oder genauer gesagt ein vor Jahren stillgelegter Steinbruch, den BMW in einen der spektakulärsten Offroad-Parks Europas umwandelte. Dort wollte ich zusammen mit drei Freunden aus dem mimoto-Reiseforum ein zweitägiges Enduro-Training absolvieren.
Die Anreise
Streckenlänge: 555 Kilometer
Streckenlink: MotoPlaner
Video von der Anreise
Wien - Krems - Spitz a. d. Donau - St. Georgen/Walde - Freistadt - Bad Leonfelden - Rohrbach/OÖ - Passau - Ingolstadt - Neuburg - Hechlingen
Aber auch wenn vor Ort die neuesten Modelle des weltweiten Marktführers im Reiseenduro-Segment zur Verfügung standen, war eine „standesgemäße“ Anreise mit dem Motorrad selbstverständlich – schließlich nehme ich mir nicht so oft vier Tage am Stück frei, um dann zwei davon im Auto zu vergondeln. Also ging‘s Frühmorgens bei wolkenfreiem Himmel aber eisiger Kälte los. Um gleich einmal ein Stück weiterzukommen die ersten rund 80 Kilometer bis Krems auf der Autobahn A1 bzw. Schnellstraße S33. Trotz Goretex-Handschuhen brannten sich die Finger wie tiefgefroren förmlich am Lenker fest – der Preis dafür, letzten Frühling bei der Bestellung des Tigers auf Ossis Frage nach dem Zubehör ein lockeres „Heizgriffe? Das ist was für Weicheier“ eingestreut zu haben…
In der Wachau legte die Sonne dann aber bald zu und die Gedanken konnten sich den Kurven widmen. Davon gab es auf der gewählten Route zur Genüge. Bei Spitz verließ mein Weg die Donau, die wir erst in Deutschland bei Obernzell kurz vor Passau wieder kreuzen sollten, um über den Jauerling in eine wenig befahrene aber umso interessantere Strecke einzutauchen. Über St. Georgen am Walde, Königswiesen, Freistadt, Bad Leonfelden erreichte ich zur Mittagszeit Rohrbach in Oberösterreich, wo es nach einer kurzen Stärkung bald über die Grenze ging. Von dort an war von der Straße aus immer wieder die Donau zu sehen, ging‘s durch Passau, Straubing, vorbei an Ingolstadt und Neuburg nach Hechlingen, wo wir im Forellenhof Quartier bezogen.
Wir, das waren neben meiner Wenigkeit noch Doris, Michael und Andre, die wir uns alle nur aus dem Forum kannten, beim gemeinsamen Abendessen aber rasch feststellen durften, dass interaktiv geknüpfte Bekanntschaften durchaus auch den Reality-Check bestehen können. Dazu mussten wir allerdings erst einmal zusammen in Andres Leihwagen rund 15 Kilometer zum nächsten offenen Lokal zurücklegen, werden doch in Hechlingen Montag Abends, wenn die Wirtsstube im Forellenhof Ruhetag hat, noch vor Sonnenuntergang die Gehsteige hochgeklappt – Fuchs und Hase sagen sich in dieser Ecke früh Gute Nacht. Nicht so wir…
Das Enduro-Training
Foto-Galerie vom Training
Video vom Training
Dennoch ging es am nächsten Morgen frisch und ausgeruht in den Enduro-Park, wo wir die folgenden beiden Tage den Asphalt unter den Rädern gegen Schotter, Sand, Geröll, Baumwurzeln auf schmalen Waldpfaden, Kies und was auch immer Mutter Natur in diesem tollen Areal zu bieten hat, tauschten. Seit der Eröffnung 1994 entwickelte sich der 26 Hektar große Park zu einem der führenden Enduro-Zentren Europas, was auch die Teilnehmerliste bei unserem Training in der letzten März-Woche bestätigt: Zusammen mit Motorradbegeisterten aus Russland, England, Ungarn, der Schweiz, Österreich (ich ;-) ) und allen Ecken Deutschlands machten wir das Gelände unsicher. Obwohl der Park markenoffen ist und jeder auch sein eigenes Motorrad mitnehmen könnte (was drei Teilnehmer auch taten), war es mir die 50 Euro pro Tag wert, nicht meine Triumph, sondern die punkto Abmessungen, Gewicht und Leistung vergleichbare F800 GS in den Schotter zu schmeißen…
…denn kleinere Stürze bzw. Umfaller sind bei einem Offroad-Training unausbleiblich. Die aktuelle BMW-Palette bietet ohnehin einiges, und die Verantwortlichen werden schon wissen, warum die Maschinen ohne Seitenspiegel bereitgestellt werden. Vier Instruktoren, alles nicht nur nette Typen (nicht einmal mein im BMW-Hauptquartier stolz zur Schau getragenes Triumph-Tiger-T-Shirt konnte sie provozieren ;-) ) sondern auch ganz hervorragende Motorradfahrer, kümmerten sich recht individuell um ihre Schützlinge und jeder – ob Gelände-Einsteiger, sporadischer Schotterist oder erfahrener Weltenbummler – nahm einiges für sich mit nach Hause. Von Basics wie Gleichgewichtsübungen, Tricks fürs Auf- und Absteigen im Gelände über die richtigen Techniken bei steilen An- und Auffahrten, das Bremsen auf losem Untergrund, das Bergen der Maschine im Gelände, das Halten im Steilhang bis hin zum Fahren im Sand, auf Kies oder durchs Wasser. Wirklich beeindruckend, wo man mit den doch schweren Reiseenduros mit der richtigen Technik überall rauf, runter und drüber fahren kann…
Durch die Aufteilung in kleine Gruppen wurde keiner über- oder unterfordert, die Instruktoren erkannten auch rasch, wenn jemand in einer anderen Gruppe besser aufgehoben war. Spaß machten auch die Tracks durch den Wald, auch wenn ich dabei einmal bei einem Ast „einfädelte“ und mir eine Unterarmprellung zuzog, die mich am zweiten Tag zu einigen Pausen zwang. Ein besonderes Highlight an Tag zwei war eine ca. eineinhalbstündige Ausfahrt in die Umgebung des Parks, wo es „wie im wirklichen Leben“ (dort in unseren Breiten allerdings leider viel zu selten), noch dazu legal, über Straßen, Feldwege, Waldpassagen, Felder und Schotterpisten ging – die Freundlichkeit, in der uns Bauern von ihren Traktoren zuwinkten, zeigt, wie gut es den Verantwortlichen in Hechlingen gelungen ist, durch rücksichtsvolles Auftreten der Natur und den Anrainern gegenüber ein positives Image zu erlangen. In Zeiten wie diesen für Motorsportler nicht unbedingt selbstverständlich. Ein Deutscher Umweltpreis für den Enduro-Park unterstreicht, dass Enduro-Wandern und Natur einander keinesfalls ausschließen sondern vielmehr zusammengehören.
Das Fazit unseres kleinen „Forum-Teams“, das am Abend des ersten "Wettkampftages" auch noch einen Geburtstag gebührend zu feiern hatte, fiel jedenfalls durchaus postitiv aus: Für jeden waren Tricks und Tipps dabei, die auch abseits der unbefestigten Wege ;-) hilfreich sein können. Und Doris kann schon Mal getrost ihren Laden verkaufen und im September endlich zur Verwirklichung ihres über Jahre gehegten Traums starten: Allein mit dem Motorrad ein Jahr lang die Panamericana vom Feuerland bis Alaska in Angriff zu nehmen…
Die Heimreise
Streckenlänge: 679 Kilometer
Streckenlink: MotoPlaner
Hechlingen - Augsburg - München - Wasserburg - Traunstein (D) - Salzburg - St. Gilgen - Mondsee - Bad Ischl - Ebensee - Gmunden - Grünau - Almsee - Kremsmünster - Steyr - Amstetten - St. Pölten - Wien
Mein Weg nach Hause war ein wenig kürzer als die Pläne der wackeren Kollegin, die ersten rund 150 Kilometer bis München nahm ich noch am selben Tag in Angriff – freilich erst nachdem ich, wie bei Veranstaltungen jeglicher Art in Deutschland üblich, meine „Urkunde“ in Empfang genommen hatte. Tags darauf ging es frühmorgens bei strahlendem Sonnenschein weiter über Salzburg zu einer kleinen Salzkammergut-Seenrunde (Wolfgangsee, Mondsee, Attersee, Traunsee sowie der vergleichsweise sicher weniger bekannte aber wirklich idyllisch gelegene Almsee). Am Nachmittag wurden die Wolken dann immer bedrohlicher und der Wind langsam stürmisch, weshalb ich die ursprünglich geplante Route durch den Nationalpark Kalkalpen verwarf und in der Nähe der Westautobahn A1 blieb, um dann in St. Pölten auf diese aufzufahren. Bei der Wiener Stadtgrenze bemerkte ich erste Regentropfen am Helmvisier, als ich in meine Garage fuhr, öffnete der Himmel endgültig seine Schleusen…
…wenn Engel reisen, wartet er eben damit, bis diese wieder daheim sind.
Mein neuer Helm:
Seit März fahre ich mit dem Touratech Aventuro Pro Carbon Jetzt bereit zur Anprobe & Testfahrt bei www.touratech.at
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Kontakt:
Reisen ist tödlich
für Vorurteile.
Mark Twain
Unter Motorradfahrern gibt es keine Fremden - nur Freunde, die man noch nicht getroffen hat.
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