Reisemotorräder im Allgemeinen und Reiseenduros im Speziellen sind für A2-Führerscheinbesitzer relativ rar gesät. Umso interessanter fand ich die Möglichkeit, mir Benellis TRK502 X einmal näher anzusehen. Seit 2005 gehört die italienische Traditionsmarke, die 1911 gegründet worden war und vor allem in den 1930en bis 1950ern große Erfolge im Rennsport feierte, dem chinesischen Zweiradhersteller Qianjiang, seit 2016 übernahm die österreichische KSR Group den Vetrieb für den deutschsprachigen Raum. Und die TRK502, die es sowohl in einer Standard-Variante mit 17-Zoll-Vorderrad und Gussfelgen, als auch als "geländetauglichere" X mit 19-Zoll und Kreuzspeichenrädern gibt, kommt seit 2018 mit einem erwachsenen Auftritt daher, der nicht den Eindruck erweckt, dass unter dem mächtigen 20-Liter-Tank lediglich 48 PS stecken.
Ein Auftritt, dem das Motorrad jedoch auch auf der Waage gerecht wird bzw. den es dort nicht verheimlichen kann: Stolze 235 Kilo wiegt die Benelli fahrfertig, was zwar überall ein wenig anders interpretiert wird, in der Regel aber den Zustand mit zu zwei Drittel gefüllten Tanks bezeichnet. Doch selbst vollgetankt wäre es im Verhältnis zur Leistung immer noch eine Hausnummer.
Die den ersten Gedanken, dass es sich um eine handliche 500-Kubik-Reiseenduro fürs Wandern im Gelände handelt, rasch wieder verwerfen lässt. Trotzdem hat die TRK502 X definitiv ihre Qualitäten, wovon ich mich in der gemeinsamen Woche auf den unterschiedlichsten Wegen überzeugen konnte. Da ist vor allem dieser 500-Kubik-DOHC-Zweizylinder, der 48 PS (bei 8.500 U/min) leistet und über ein maximales Drehmoment von 46 Newtonmetern verfügt, welches bereits bei 6.000 U/min zur Verfügung steht. Unterm Strich ein durchzugsstarker, durchaus lebhafter A2-Motor, der einem nie das Gefühl gibt, dass er sich mit dem Gewicht plagt, mit einer gleichmäßigen Leistungsentfaltung aufwartet.
Neben dem markanten "Raubvogel"-Schnabel, der wohl nicht zufällig an eine Ducati Multistrada erinnert, sticht einem auch gleich die mächtige Upside-Down-Gabel mit einem Durchmesser von 50 (!) Millimeter ins Auge. Einstellbar ist sie nicht, aber ab Werk recht komfortabel abgestimmt, so dass sie in Verbindung mit dem Federweg von 150 Millimeter Unebenheiten gut wegbügelt. Das Kopfsteinpflaster der Wiener Höhenstraße, das ich gerne für meine Fahrwerksbeurteilung heranziehe, konnte der Gabel nur ein müdes Lächeln entlocken, auch durchaus flottere Schotterpassagen absolvierte sie zur vollsten Zufriedenheit. Was man vom Monoshock-Federbein so nicht behaupten kann. Dieses ist in der Druckstufe einstellbar und neigt bei flotter Gangart über holpriges Geläuf doch recht früh zum Durchschlagen bzw. lässt einen Unebenheiten deutlich spüren. Insgesamt sind die Fahrwerkskomponenten aber dem Preis entsprechend und durchaus ausreichend für das, wofür dieses Motorrad letztlich steht.
Und zwar fürs entspannte Reisen mit der ständigen Option als Begleiter, auch vor schlechten Straßen und unbefestigten Wegen nicht Halt machen zu müssen. Erst bei der wirklich engagierten Kurvenhatz lässt die Gabel naturgemäß die Präzision teurerer Komponenten vermissen.
Gut ins harmonische Bild der Chinesin passen auch die Bremsen. Vorne sind zwei 320-Millimeter-Wave-Scheiben verbaut, in die sich zwei 2-Kolben-Radialzangen verbeissen und die Fuhre stets ausreichend, aber nicht zu giftig verzögern, hinten tut eine 260er-Scheibe ihren Dienst.
Nichts zu meckern gibt es über den Wind- und Wetterschutz. Der Windschild ist zwar nicht verstellbar, bietet aber ausreichend Schutz auch für die Autobahnetappe, die Verkleidung bzw. die Tankform hält einiges vom Körper ab. Das Sitzpolster ist bequem und macht auch lange Etappen keinesfalls zur Qual. Wobei man wissen muss, dass man auf der Benelli mehr "im" als auf dem Motorrad sitzt, aktives hin- und herrutschen wie es der eine oder andere gern auf der Reiseenduro praktiziert, ist schwer möglich. Auch beim Stehendfahren ist man durch den breiten Tank ein wenig in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
"Auch wenn es vielleicht nicht der bequemste Sitz sein mag, so sitzt man auf der Benelli hinten drauf doch recht gut, auch der Kniewinkel ist ordentlich, der Platz ausreichend. Allerdings rüttelt es einen bei Unebenheiten schon ordentlich durch, das kannte ich bislang eher von anderen Motorrädern als Reiseenduros. Dennoch bekommt die Benelli gerade noch drei Wölfe von mir und der Wolf den Auftrag, Schotter künftig eher sein zu lassen, wenn wir wieder einmal zusammen auf der TRK502 X unterwegs sein sollten…"
An die Tankstelle muss man nicht allzu oft mit der Benelli: Bei einem Testverbrauch von 4,3 Liter verfügt man dank des üppigen 20-Liter-Tanks über eine Reichweite von über 450 Kilometer, ein hervorragender Wert für ein Reisemotorrad. Auch die Möglichkeit, das ABS für Fahrten auf unbefestigten Wegen beim Starten per Knopfdruck zu deaktivieren, findet man längst nicht bei jeder Reiseenduro, der serienmäßige USB-Anschluss ermöglicht unterwegs das Laden von elektronischen Geräten oder etwa den Betrieb eines Smartphones als Navi. Die LCD-Amaturen liefern die wichtigsten Infos und die Geschwindigkeit digital, die Drehzahl wird klassisch analog angezeigt. Durch den guten Windschutz sind auch Autobahnetappen keine Qual, eine Reisegeschwindigkeit von etwa 130 km/h erreicht das Motorrad recht zügig, erst was darüber hinausgeht bis hin zur Höchstgeschwindigkeit von 165 km/h erfordert naturgemäß etwas Geduld.
Ein Wort wie immer noch zur Serienbereifung: Die ab Werk aufgezogenen Metzeler Tourance passen gut ins Gesamtbild, können Offroad das, was die TRK502 X kann und bieten auf der Straße ausreichend Grip.
+ Der Motor ist für ein A2-Aggregat recht souverän und durchzugsstark
+ Die Reichweite ist mit 450+ Kilometern mehr als ordentlich
+ Das ABS lässt sich für den Offroad-Betrieb deaktivieren
– Das Gewicht ist im Verhältnis zur Leistung einfach zu hoch
– Das Federbein kann mit der guten Performance der Gabel nicht mithalten
– Die Sitzposition "im Motorrad" bzw. Eingeschränktheit beim Stehendfahren
Fazit:
Auch wenn die TRK502 X in meinen Augen schon wegen ihres stolzen Gewichts mehr ein Tourer für die unterschiedlichsten Wege denn eine echte Reiseenduro für ausgedehnte Offroad-Abenteuer ist, so stellt sie doch eine interessante Alternative auf dem A2-Markt dar. Interessant gleichermaßen für Ein- als auch für Wiedereinsteiger, die ein günstiges Reisemotorrad suchen, aber durchaus auch für G'standene, die nicht (mehr?) auf der letzten Rille daherkommen müssen und ein Motorrad suchen, mit dem sie auch für den einen oder andern Schotter-Ausflug gewappnet sind. Mit einem Preis von in Österreich 6.999 Euro muss sich die Benelli allerdings auch mit einer Honda CB500X, die nur um zwei Hunderter mehr kostet, aber um 40 Kilo weniger wiegt, oder auch einer KTM 390 Adventure vergleichen lassen. Letztere ist um einiges üppiger ausgestattet, um 100 Euro billiger, 60 Kilo leichter und entsprechend agiler, aber eben auch "nur" ein 373-Kubik-Motorrad. Die Benelli TRK502 X wiederum ist von den hier erwähnten Bikes die stattlichste, ganz sicher nicht auf den ersten Blick als 500er auszumachen. Leiwand, dass es auch im Bereich der A2-Führerschein-tauglichen Reisemotorräder eine immer breitere Auswahl gibt.
© 05/2020
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Mark Twain
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