Sie sehen ja gut aus, diese Retro-Motorräder, die in den letzen Jahren immer mehr in Mode kamen. Die meisten Modelle entpuppen sind dann aber doch in erster Linie eher als etwas für die Eisdiele. Als mir der Werkstättenleiter bei Triumph Wien Mitte Ossimoto den Schlüssel für die neue Thruxton R in die Hand drückte, mit den Worten "wirst schauen, wie die anreißt", da war mir schon klar, dass das diesmal nicht so sein wird – der Guggi ist auf der Rennstrecke daheim, dem flößt so schnell kein Radl Respekt ein. Also draufsetzen und anstarten. Schön und gut – aber wo? Der Startknopf ist im Killschalter integriert, was den Vorteil hat, dass dieser nicht mehr unbeabsichtigt den Startvorgang unterbinden kann. Doch wer's nicht weiß, bleibt vorerst einmal erst recht stehen…
…dafür hatte ich eben etwas länger Zeit, mir das Moped gleich genauer anzusehen. Der Cafe Racer ist wirklich stimmig und bis ins letzte Detail liebevoll und solide verarbeitet. Das beginnt beim ins Frontlicht integrierten Triumph-T, geht weiter über den verchromten Tankdeckel bis hin zu den wunderbaren analogen Amateuren mit dezenten Digital-LCDs und setzt sich bei Motor, Speichenrädern, Auspuffanlage oder Fahrwerkselemten fort. Warum man dann ausgerechnet bei den an den Lenkerenden montierten Rückspiegeln im schwarzen Plastik beim Chrom gespart hat, entzieht sich freilich meiner Kenntnis.
Aber jetzt will ich auch wissen, wie sie anreißt. Der Sound ist schon einmal gut, kernig, ohne dass sich gleich sämtliche Eisdielen-Besucher nach einem umdrehen. Dabei versäumen die was. Denn der 1200er-Murl mit seinen knapp 100 PS lässt die Thruxton so richtig loslegen, da geht's nur mit Gas aufs Hinterradl! Aber die "Wheelie-Control" in Form der Traktionskontrolle bremst Übermut rasch ein. Wie überhaupt dieses alt aussehende Motorrad vollgestopft ist mit modernster Technik: ABS, Anti-Hoppling-Kupplung, Ride by Wire, auf nichts muss der Nostalgiker verzichten, ja sogar zwischen drei verschiedenen Fahrmodi (Road, Sport, Rain) kann (im Stillstand, aber bei laufendem Motor) geswitcht werden. Etwas nervig empfand ich als alter Sportreporter, dass nach Abschalten der Zündung jeweils wieder im Road-Modus begonnen wird, keine Ahnung, ob sich das umprogrammieren lässt.
Ansonsten aber gibt's wenig zu meckern, die Triumph Thruxton 1200 R ist eine Fahr- und keine Posier-Maschine. Da geht's zügig durch die Kurvenwelt des Wienerwalds, das Motorrad lässt sich richtig beherzt ums Eck manövrieren, auch enge Kehrenfolgen sind Genuss und kein Stress. Dabei vermitteln die aufgezogenen Pirelli Diablo Rosso Corsa rasch Vertrauen, der Reifen lenkt präzise ein und bietet bei Schönwetter Grip ohne Ende. Edle, voll einstellbare Fahrwerkskomponenten von Öhlins (hinten) und Showa (vorne) sorgen dafür, dass man auch bei hohen Geschwindigkeiten alles im Griff hat, die mächtige Bremsanlage von Brembo geht den Fahrleistungen entsprechend zu Werke – so bissige Bremsen habe ich an meinen Motorrädern nicht. Dafür sind schon mal die Blomben im Gebiss gefährdet, wenn's etwas zügiger über das Kopfsteinpflaster der Höhenstraße geht, schlechte Fahrbahnen sind nicht das bevorzugte Terrain der Britin, obwohl natürlich auch das geht.
Alles in allem stellt sich beim Fahren (und drauf Schauen) rasch ein Will-Haben-Gefühl ein, die richtige Lederjacke hätte ich ja daheim hängen und für einen passenden Helm würde es auch noch reichen. Aber da sind ja noch die (in Österreich) knapp 16 (!) Tausender, die es dafür zu berappen gilt – und da sind wir noch gar nicht bei dieser unfassbar geil aussehenden Race-Variante, wie sie der Ossi selbst privat in der Garage stehen hat. Zuviel Eis ist eh nicht gesund.
© 06/2016
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